Reden im
Reichstag und
‚Abgeordneten-
haus
452 DIE REICHSFINANZREFORM
Europa den Frieden zu diktieren, uns vor einem Kriege zu bewahren.
Die Nörgler sind nun still. Die jüngsten großzügigen Reden Eurer Durch-
laucht im Reichstag haben sowohl dort selbst, aber auch in der ganzen in-
und ausländischen Presse, wie bei allen patriotisch gesinnten Männern
Zustimmung und Bewunderung hervorgerufen. Mag dies Ihnen eine kleine
Entschädigung bieten für die unsägliche Mühe und Arbeit, für die gehässigen
Angriffe und Verdächtigungen, die Durchlaucht in neuerer Zeit über sich
ergehen lassen mußten. Das schönste und edelste ist doch das Bewußtsein,
für Deutschland Großes geleistet zu haben. Gestatten Sie einem Mann,
der den Krieg 70/71 mitgemacht, der dann unter vier Reichskanzlern
länger als ein Vierteljahrhundert als Minister und Bundesratsbevollmäch-
tigter das Glück hatte, Zeuge der großartigen Entwicklung und Macht-
entfaltung unseres Vaterlandes sein zu dürfen, daß derselbe Eurer Durch-
laucht zu diesem großartigen Erfolge seine ebenso aufrichtigen als herz-
lichsten Glückwünsche darbringt. Es erübrigt sich nun, noch eine ebenso
wichtige wie schwierige Frage der Erledigung zuzuführen. Wichtig, weil
hiervon die fernere Machtstellung Deutschlands abhängt, schwierig, weil
die Zersplitterung der Meinungen selbst in großen Fragen bei uns eine
schwer zu heilende Krankheit ist. Es ist dies die Reichsfinanzreform!
Durchlaucht haben in einer von mir soeben gelesenen Rede im Reichstage
so klar und überzeugend den Weg bezeichnet, der zu beschreiten ist.
Alles ist über die absolute Notwendigkeit der Reform einig, fast alles ist
der Überzeugung, daß neben einer Konsumsteuer auch eine Besitzsteuer
Platz greifen muß, niemand hat bisher einen akzeptablen Gegenvorschlag
gemacht, und trotz alledem wird man nicht einig. Wir sind in Süddeutsch-
land auch schwer an die Nachlaß- oder Erbschaftssteuer gegangen, aber es
muß eben sein, weil kein anderer Ausweg für die restlichen hundert Millionen
zu finden ist. Ich hoffe und glaube, daß der Widerstand der Konservativen,
wenigstens der Mehrzahl derselben, noch zu beheben ist. Die gestrige Rede
Eurer Durchlaucht wird wohl dazu beitragen! Es wird hier viel für das
Zustandekommen der Reform gearbeitet. Verzeihen Eure Durchlaucht,
daß ich Ihre kostbare Zeit über Gebühr in Anspruch nehme, aber wenn das
Herz voll ist, geht der Mund über. Stets in unbegrenzter Verehrung Euer
Durchlaucht ganz ergebenster Dr. Graf von Feilitzsch, k. Staats-
minister a. D.“
Graf Feilitzsch, ein Staatsmann von langjähriger und reicher Erfahrung,
hob nicht mit Unrecht die günstige Wirkung meiner Reden auf die Stim-
mung im Lande hervor. Ich habe es mir gerade am Ausgang meiner amt-
lichen Tätigkeit angelegen sein lassen, über den Reichstag hinaus zum
Lande zu sprechen und unserem Volk noch einmal die Grundwahrheiten
vor Augen zu halten, von deren Erkenntnis unsere Zukunft abhing. In