„ICH HABE NIE ETWAS VON BEÜLOW GEHALTEN* 469
italienischen Gesellschaft geradezu verhaßt, hatte er sich gleichzeitig auch
mit der deutschen Kolonie überworfen. Er drängte selbst von Rom fort.
Sein Ziel war Wien. Diesem seinem Wunsch stand aber die schon früher von
mir erwähnte ausgesprochene Abneigung sowohl der österreichischen wie
der ungarischen Regierung gegen ihn und die fast noch stärkere Anti-
pathie des alten Kaisers Franz Josef wie des Thronerben Franz Ferdinand
im Wege. Niemand in Österreich-Ungarn wollte von dem „grausligen“*
Monts etwas wissen. Monts war gleichzeitig mit mir und meiner Frau zur
Abendtafel auf der „Hohenzollern“ befoblen worden. Als wir uns verab-
schiedeten, um in unser Hotel zurückzukehren, sah ich, wie der Kaiser
raschen Schritts auf Monts zuging, der sich tief, übertrieben tief vor ihm
bückte. Am nächsten Tage hörte ich von einem durchaus verläßlichen
Herrn der Allerhöchsten Umgebung, daß Wilhelm II. den Grafen Monts
laut und vernehmlich mit den Worten angeredet hatte: „Bülow hat mich
verraten! Sie müssen an seine Stelle. Bülow ist ja auch vom Botschafter in
Rom Reichskanzler geworden.‘ Monts erwiderte, immer in gleich respekt-
voller, fast demütiger Haltung: „Eure Majestät nehmen mir das Schloß
vom Munde. Ich habe nie etwas von Bülow gehalten.“ So hatte sich Monts
von Anfang an bis zu Ende den Vetter Anselmo zum Vorbild genommen,
wie ihn, Strebern und Augendienern zum abscheulichen Exempel, Chamisso
gezeichnet hat. Bei Chamisso gibt schließlich der weise Yglano dem Vetter
Anselmo einen Backenstreich und läßt ihn dann vor die Tür setzen. Bei
Monts übernahm das Schicksal den Hinauswurf.
Strahlend verließ Graf Anton Monts am 15. April 1909 Venedig in dem
beglückenden Bewußtsein, daß er bald Reichskanzler werden würde. In
Rom eingetroffen, suchte er meine Schwiegermutter auf und sagte ihr,
seines Bleibens im Palazzo Caffarelli werde nicht mehr lange sein, aber er
fiele nicht die Treppe hinunter, sondern er würde höher, sehr hoch steigen.
Er traf Vorbereitungen für seine Übersiedlung nach Berlin und bereitete
sich geistig durch Gedankenaustausch mit einigen bewährten Freunden aus
der Finanzwelt auf den ihm in Aussicht gestellten hohen Posten vor. Wirk-
lich und tatsächlich hat, wie ich vorgreifend schon hier bemerken will, Wil-
helm II., als ich zwei Monate später meinen Abschied einreichte, in erster
Linie Monts zu meinem Nachfolger machen wollen. Diese Absicht scheiterte
an dem Widerspruch des Kabinettsrats Valentini. Sonst nur zu willfährig,
erklärte er in diesem Fall, ein so takt- und direktionsloser Geselle wie
Monts, der sich überall, in Wien, in Pest, in Oldenburg, in München und
schließlich in Rom unmöglich gemacht habe, der überdies der freien Rede
so wenig mächtig sei, daß er nur mit Ach und Krach an Kaisers Geburts-
tag vor der deutschen Kolonie mühsam einige Worte habe stammeln
können, sei als Reichskanzler nicht möglich. Der Kaiser bestand nicht
Graf Monıs
in Erwartung