Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

RETUSCHIERTE KAISERGESPRÄCHE 471 
Zensur gebe. Ob S.M. damit auch seiner Stellung als konstitutioneller 
Monarch nachträglich Rechnung tragen oder nur mit dem Achilleion und 
den angeblichen Erfolgen seiner politischen Tätigkeit auf Korfu sich brü- 
sten wollte, weiß ich nicht. Jedenfalls lautete der Auftrag so bestimmt, daß 
ich ihn ausführen mußte. Der Kaiser sagte mir noch beim Abschied, daß er 
sich meine Berichte vorlegen lassen werde. Damit sollte mir die Note ange- 
wiesen werden. Sie können sich denken, wie wenig der erteilte Auftrag 
mir sympathisch war. Es ist das erste Mal, daß ich in einem Bericht über 
Blumenflor und Volkstänze schreiben muß. Aber der Kaiser hat gewollt, 
daß alle diese Kindereien in dem Berichte erwähnt würden. Noch weniger 
leicht war es, über die von dem Kaiser geführten Gespräche zu berichten. 
Nach meiner Darstellung nimmt es sich so aus, als ob S. M. in hoher Weis- 
heit immer gleich die richtigen Antworten erteilt habe. Das war aber keines- 
wegs immer der Fall. Im Gegenteil haben Jenisch und ich immer retu- 
schieren müssen, um bei den Griechen eine richtige Auffassung der kaiser- 
lichen Reden zu erzielen. Gleich bei der ersten Begegnung mit König Georg 
hatte der letztere den Kaiser so gerührt, daß er bereits versprochen hatte, 
den anderen Kabinetten eine baldige Lösung der Kreta-Frage im griechen- 
freundlichen Sinne zu empfehlen. Nachdem er dann mit mir und Jenisch 
gesprochen, ist er geschickt umgeschwenkt. Drei Wochen lang habe ich mich 
bemüht, S.M. davon zu überzeugen, daß wir nichts für Griechenland tun 
könnten, solange die Kreta-Frage nicht gelöst und die Möglichkeit von 
Schwierigkeiten zwischen Griechenland und der Türkei vorhanden ist. 
Trotzdem ist uns der Kaiser, der die Richtigkeit des obigen Grundsatzes 
voll anerkannt hatte, in den letzten Tagen wieder durchgegangen, indem 
er dem König und dann Theotoki einen Admiral anbot und auf die Flotten- 
frage zurückkam. Theotoki, der ja selbst zu klug ist, um nicht zu sehen, daß 
jede griechische Machenschaft mit Deutschland sofort Englands Wider- 
stand und damit Schwierigkeiten wegen Kreta hervorrufen würde, hat 
selbst ausweichend geantwortet und den Kaiser auf später vertröstet. Ich 
habe alles dies in meinem Berichte nicht sagen können, sondern in einer 
kleinen, aber frommen Geschichtsfälschung den Kaiser als den großen, 
weisen Mann erscheinen lassen. Wenn S.M. meine Berichte liest, möchte 
ich aber beinahe annehmen, daß er nachträglich sich freut, so logisch ge- 
sprochen zu haben, besonders, wenn ihm der R.K. bei sich bietender Ge- 
legenheit zu seiner Weisheit gratuliert. Korfu war sehr interessant, aber 
nicht immer angenehm. Die Griechen sind dieses Mal besser behandelt 
worden. Jenisch hatte zum Schluß Angst vor Brindisi und der Absicht des 
Kaisers, Tittoni den Kopf zu waschen. Was mag daraus geworden sein ?“ 
Die Zweifel des Gesandten von Wangenheim an der Opportunität der von 
SeinerMajestät auf Korfu betriebenen Politik waren nicht ganz unberechtigt.
	        
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