DER BÖSE KANZLER DES MEROWINGERS 479
bei den „Gestalten und Erscheinungen“, Eugen Zimmermann, der während
der letzten Monate meiner Kanzlerzeit. eifrig und schneidig meine Sache
in der Presse führte, sagte und schrieb mir, hinter Piraten wie Rudolf
Martin und Eckardstein stünden schlesische Magnaten, die mir meine nach
ihrer Auffassung zu arbeiterfreundliche Sozialpolitik übelnähmen. Ich habe
solchen Mitteilungen keinen Wert beigelegt und mich auch in meinen per-
sönlichen Beziehungen namentlich zu dem Fürsten Guido Henckel-
Donnersmark und anderen schlesischen Herren dadurch nicht irremachen
lassen.
Sicher ist, daß derselbe Graf Oppersdorff, der zehn Jahre später in
Deutschlands schwerster Stunde sein Vaterland verraten und zu den Polen
überlaufen sollte, einer der eifrigsten Teilnehmer des Bundes der Kaiser-
treuen war. Er hatte sich mit dem Elsässer Wetterl& angefreundet, der be-
kanntlich sofort nach Ausbruch des Weltkrieges bei Nacht und Nebel von
Kolmar über die Grenze nach Frankreich floh, dort während des ganzen
Krieges gegen uns hetzte und sich noch jetzt in Paris als französischer
Patriot und Todfeind der ‚‚Boches‘ geriert. Der Abb& Wetterle brachte im
Auftrag von Oppersdorff durch den Chefredakteur des „Figaro“, Calmette,
Artikel in dieses Blatt, die bestimmt waren, dem Kaiser vorgelegt zu
werden. Sie waren nicht ungeschickt auf die kindliche Phantasie Seiner
Majestät berechnet. Ich erinnere mich eines Artikels, in dem als warnendes
und abschreckendes Exempel dem Kaiser das Schicksal eines Merowinger-
königs vorgeführt wurde, den sein böser Kanzler Gonthram-Bose mit arger
List erst umstrickte und betörte, dann durch eine fein eingefädelte Ver-
schwörung lahmlegte und schließlich scheren ließ und in ein Kloster steckte.
Näheres über diesen traurigen Vorfall ist in den „Recits des temps mero-
vingiens“ von Augustin Thierry nachzulesen. Es heißt da über den bösen
Gontbram: „Gonthram Bose presentait dans son caract£re une singularit£
remarquable. Germain d’origine, il surpassait en habilet€ pratique, en talent
de ressources, en instinct de rouerie, si ce mot peut &tre employe& ici, les
hommes plus delies parmi la race gallo-romaine. Ce n’etait pas la mauvaise
foi tudesque, ce mensonge brutal accompagne& d’un gros rire: c’&tait quelque
chose de plus raffin€ et de plus pervers en m&me temps, un esprit d’intrigue
universel et en quelque sorte nomade, car il allait e8’exergant d’un bout
a l’autre de la Gaule. Personne ne savait mieux que cet Austrasien pousser
les autres dans un pas dangereux et s’en tirer a propos. On disait de lui
que jamais il n’avait fait de serment & un ami, sans le trahir aussitöt,
et c’est de la probablement que lui venait son surnom germanique. Bose,
en Allemand moderne boese, signifie malin, mächant.‘ Die Parallele
zwischen dem arglistigen Gonthram-Bose und dem Fürsten Bülow, dem
bösen Kanzler des Deutschen Kaisers, lag auf der Hand. Einige der
Graf
Oppersdorff