Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

488 W-P.-, P-P.- UND A-A.-JAGOW 
bessere Fortschritte das Ansiedlungswerk machte, um so intensiver und 
leidenschaftlicher wurden die Anstrengungen der Polen, den Übergang 
polnischen Besitzes in deutsche Hand zu verhindern. Vor allem suchten sie 
zu verhindern, daß das Deutschtum zusammenhängenden Besitz auf 
Kosten des Polentums erwarb. Das aber war gerade notwendig, um den 
einmal für die deutsche Kolonisation erworbenen Grund und Boden gegen 
polnische Einbrüche und Übergriffe zu sichern. Schon seit längerer Zeit 
war zwischen mir und den beiden Oberpräsidenten von Posen und West- 
preußen eingehend und gründlich die Frage besprochen worden, wie der 
polnische Widerstand am besten zu überwinden wäre. Herr von Waldow 
und Herr von Jagow gehörten beide zu den tüchtigsten Beamten im ulten 
preußischen Staat, und das wollte etwas bedeuten. Von Waldow sagte mir 
Bill Bismarck, der seinerzeit als Oberpräsident von Ostpreußen Herrn von 
Waldow als Regierungspräsidenten neben sich gehabt hatte, dieser wäre aus 
dem Holz, aus dem Fürst Bismarck brauchbare Verwaltungsbeamte zu 
schnitzen liebte. Seine Gegner nannten Waldow wegen seiner kühlen und 
etwas steifen Art „das gefrorene Handtuch“, aber er war ein Mann. Jagow 
war nicht weniger brauchbar. Damals waren im Staatsdienst drei Sprossen 
dieser alten und trefllichen märkischen Familie: der W.-P.-Jagow, Ober- 
präsident von Westpreußen, der P.-P.-Jagow, Polizeipräsident von Berlin, 
und der A.-A.-Jagow, der epätere Staatssekretär im Auswärtigen Amt. 
Die beiden Erstgenannten haben ihrer Familie und der Mark Brandenburg 
Ehre gemacht. Bei dem A.-A.-Jagow entsprach die kleinliche Seele dem 
kümmerlichen Körper, in dem sie hauste. Durchdrungen von der Not- 
wendigkeit, die deutsche Ansiedlung in den Ostmarken zu fördern, ent- 
schloß ich mich, eine Enteignungsvorlage vor den Landtag zu bringen. 
Ich mache kein Hehl daraus, daß ich mich während meiner langen Amtszeit 
zu keiner anderen gesetzgeberischen Maßnahme so ungern entschlossen 
habe wie zu dem Enteignungsgesetz. Der Gesetzentwurf fand Gegnerschaft 
auf allen Seiten, nicht nur bei den traditionellen Gegnern jeder kräftigen 
Ostmarkenpolitik, dem Zentrum und den Freisinnigen, bei denen in diesem 
Fulle das Fraktionsinteresse oder doktrinäre Betrachtungsweise und vor- 
gefaßte Meinungen die Salus publica überwogen, sondern auch bei staats- 
treuen, einsichtigen und im übrigen regierungsfreundlichen  Persönlich- 
keiten. Gewiß fielen Bedenken von dieser Seite für mich besonders ins 
Gewicht. Es gab aber keinen anderen Weg, uns die Möglichkeit zu ge- 
währen, solchen Grundbesitz, der von polnischer Seite nur zu dem Zweck 
erworben und festgehalten wurde, um der Staatspolitik Widerstand und 
Hindernisse zu bereiten, auch gegen den Willen des jeweiligen Besitzers für 
den Staat zu erwerben. Rückschauend muß ich sogar gestehen, daß ich 
heute meine damaligen Bedenken gegen die streng, fast ängstlich umgrenzte, 
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