DIE CASABLANCA-AFFÄRE BEIGELEGT 501
das ein kleines, aber dankbar empfundenes Pflaster auf die Wunde, welche
die von Seiner Majestät in Highcliffe über Japan gesprochenen bösen Worte
dem Selbstgefühl der Japaner geschlagen hatten.
Mit meinem Dank für die Folgsamkeit Seiner Majestät in dieser Bezie-
hung konnte ich dem Kaiser gleichzeitig melden, daß die schr heikle Casa-
blanca-Affäre nun auch in der Form völlig und endgültig beigelegt sei. Am
29. Mai hatten, wie bereits bemerkt, beide Regierungen in Berlin ein Pro-
tokoll unterzeichnet, in dem sie erklärten, daß jede, soweit sie betroffen sei,
ihr Bedauern über das in dem Haager Schiedsspruch ihren Angestellten in
Casablanca zum Vorwurf gemachte Verhalten ausdrücke. Der befriedigende
Abschluß dieser Affäre war ein Beweis dafür, daß auch eine kniflliche
Streitfrage, wo Recht und Unrecht schwer zu unterscheiden waren und bei
der die nationale Ehre mitspielte, auf schiedsgerichtlichem Wege beigelegt
werden konnte. Ich entsinne mich kaum einer Zeit, wo die deutsch-fran-
zösischen Beziehungen so rubig waren wie im Frühjahr 1909. Auf Ein-
ladung des Zentralkomitees für eine Annäherung zwischen Deutschland und
Frankreich hatte Ende April 1909 der französische Senator Baron d’Estour-
nelles de Constant im Kaisersaal des Preußischen Herrenhauses einen
Vortrag über das Thema gehalten: „Die deutsch-französische Annäherung
als Grundlage des Weltfriedens“. D’Estournelles de Constant war ein alter
Freund von mir. Ich war ihm bei der schönen Reise begegnet, die ich ein
Vierteljahrhundert früher als Erster Sekretär unserer Botschaft in Paris im
Lenz 188% nach Tunis und Algier unternommen hatte. D’Estournelles de
Constant hatte mir damals in liebenswürdiger Weise die Honneurs von Tunis
gemacht, wo er als Legationssekretär bei dem französischen Minister-
residenten tätig war. Wir waren uns später mehrmals wieder begegnet,
zuletzt in Kiel bei der Entrevue, die dort 1904 zwischen Kaiser Wilhelm und
König Eduard stattfand. Eduard VII. hatte Baron d’Estournelles mit-
gebracht, den er seit der Zeit schätzte, wo dieser Sckretär der Französischen
Botschaft in London gewesen war. D’Estournelles war ein überzeugter
Pazifist. Er wünschte Frieden zwischen England und Deutschland, Frieden
in der ganzen Welt, vor allem Frieden und allmähliche, ganz allmähliche,
mit Vorsicht und Takt anzubahnende Aussöhnung zwischen seinem Vater-
lande und uns. Sein Vortrag im Herrenhaus war recht verständig. Ebenso
vernünftig sprach er sich aus, als er einen Tag später in kleinem Kreise bei
mir aß. Beim Abschied schenkte er mir ein mit Pariser Geschmack einge-
bundenes Exemplar des „Chasseur vert‘“ von Stendhal. Er kannte meine
Bewunderung für den großen Schriftsteller, der nicht nur seinem Vater-
lande, sondern der Welt zwei Meisterwerke wie „Le Rouge et le Noir“ und
„La chartreuse de Parme“ geschenkt hat. Der „Chasseur vert“ steht noch
in meiner Bibliothek. Es ist das einzige, was von den Beziehungen zwischen
Ausgleichs-
Protokoll
zwischen
Deutschland
und
Frankreich