Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

AN BORD DER „HOHENZOLLERN* 511 
Nachfolge mit mir nicht berühren können, da der Kaiser sich vorbehalte, 
darüber Allerhöchstselbst mit mir zu sprechen. Lächelnd und mit leiser 
Stimme fügte er hinzu: „Monts habe ich ihm ausgeredet, und zwar ohne 
besondere Mühe. Unser Allergnädigster Herr hat zuweilen komische 
Einfälle.“ 
Vor uns lag die Kieler Föhrde, diese Königin der Ostseebuchten. Wie 
immer, wenn der Kaiser für die Kieler Woche in Kiel weilte, lag der Hafen 
vollerKriegsschiffe. Ein gewaltiges Panzerschiffdrängtesichneben dasandere. 
Ich sah nachdenklich auf diese mächtige Flotte: „Es ist gerade zwölf Jahre 
her“, äußerte ich, „auf den Monat, auf den Tag, daß ich am 26. Juni 1897 
in Kiel, an Bord der ‚Hohenzollern‘, mit der Leitung der auswärtigen Ge- 
schäfte betraut wurde.“ Valentini war zu pfiffig, um nicht zu erraten, was 
ich nicht aussprechen wollte, aber innerlich empfand. „Eure Durchlaucht“, 
meinte er mit einer gewissen Feierlichkeit, „können sich heute, am 26. Juni 
1909, mit berechtigtem Stolz sagen, daß diese herrliche Flotte, die seit 
Ihrer damaligen Audienz’ bei unserem Allergnädigsten Herrn ohne Zu- 
sammenstoß mit England emporwuchs, Eurer Durchlaucht hohes Verdienst 
ist, der Sie den Bau ermöglichten, gleichzeitig den Frieden erhielten, 
unser wirtschaftliches Wachstum förderten, unsere politische Macht- 
stellung wahrten.‘“ Wir schüttelten uns nochmals die Hand. Inzwischen 
hatte sich der Chef des Marinekabinetts, Admiral von Müller, genähert, 
der mich an Bord der „Hohenzollern“ bringen sollte. Er war in besorgter 
Stimmung. Ihm sei bange, meinte er, als Valentini sich entfernt hatte, 
wegen des weiteren Ganges unserer auswärtigen Politik. Als langjähriger 
Adjutant des Prinzen Heinrich wisse er, daß man am englischen wie am 
russischen Hofe unserem Allergnädigsten Herrn im Grund nicht traue, 
weil man ihn für unberechenbar halte, ihn auch nicht möge, weil er durch 
sein präpotentes Wesen und seinen Mangel an Takt nicht nur den fürst- 
lichen Damen, sondern auch den Männern an beiden Höfen auf die Nerven 
gehe. „Eure Durchlaucht werden uns schr fehlen“, wiederholte er mehr- 
mals. Ich beruhigte den Admiral, der sich übrigens bald genug in einen be- 
geisterten Anhänger der Bethmannschen Politik verwandeln sollte. Wenn 
wir eine vernünftige Politik machten, sagte ich ihm, furchtlos, aber vor- 
sichtig, kämen wir mit Gottes Hilfe durch. 
Der Kaiser empfing mich am Fallrcep, augenscheinlich nervös, zappelig, 
ungeduldig, mit einem Anflug von Verlegenheit. Seine heftigen Gestiku- 
lationen fielen mir auf. Es entspann sich der nachstehende Dialog, dem ich 
wiederum eine am 27. Juni 1909 gemachte Aufzeichnung zugrunde lege. — 
S. M.: „Wegen Ihrer Nachfolge, lieber Bülow, brauchen Sie sich nicht mit 
einem längeren Vortrag zu quälen, auf den Sie sich wahrscheinlich vor- 
bereitet haben. Ich bin entschlossen, Bethmann zu nehmen. Damit sind 
Dialog mit 
dem Kaiser
	        
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