512 DAS DEMISSIONSGESPRÄCH MIT WILITELM IL
Sie ja gewiß sehr einverstanden. Er ist treu wie Gold, ein Biedermann
durch und durch, ein kolossaler Arbeiter, auch sehr schneidig, er wird Mir
den Reichstag aufmöbeln. Übrigens habe Ich bei ihm in Hohenfinow Meinen
ersten Rehbock geschossen.“ Ich: „Da Eurer Majestät Wahl schon ge-
troffen ist, kann ich nur mit Hamlet sagen: The rest is silence.“ S.M.: „Im
Zitieren sind Sie immer noch großartig, aber machen Sie nicht ein so
elegisches Gesicht. Setzen Sie Mir Ihre Bedenken auseinander. Ich bin zwar
sehr eilig, weil Ich um ein Uhr bei dem Fürsten Monaco luuchen soll. Aber
Sie höre Ich immer gern.“ Ich: „Für die innere Politik ist Bethmann wohl
alles in allem der Beste. Die Linke wird er bei der Stange halten, das Zen-
trum wieder heranziehen, die Konservativen sind ihm, soviel ich weiß,
auch wohlgesinnt. Er versteht nur gar nichts von auswärtiger Politik.“
S. M. (lachend, heiter): „Die auswärtige Politik überlassen Sie nur Mir!
Ich habe bei Ihnen einiges gelernt. Es wird schon gehen.“ Ich: „‚Das hoffe
ich. Aber Eure Majestät brauchen wenigstens als Amanuensis einen guten
Staatssekretär des Auswärtigen Amts. Schön ist unfähig.“ S. M.: „Er hat
in der bosnischen Frage aber doch famos abgeschnitten, denke Ich.“
Ich: „Ja, unter mir.“ 5. M. (zum erstenmal etwas gereizt): „Was unter
Ihnen ging, mein lieber Bülow, wird wohl auch unter Mir gehen.“ Ich:
„Als Stütze und Hilfe für das auswärtige Ressort empfehle ich Eurer
Majestät Mühlberg oder Kiderlen.“ S.M.: „Die nehme Ich beide nicht.“
Ich: „Dann nehmen Eure Majestät Bernstorff. Der würde sich eventuell
auch zum Reichskanzler eignen.“ S.M.: „Das will Ich Mir merken, Ich habe
Bernstorff sehr gern.“ Ich: „Ein begabter Mensch ist auch Brockdorff-
Rantzau.“ S. M.: „Den nehme Ich nicht. Er ist ein Neffe von Therese
Brockdorff, der Oberhofmeisterin Meiner Frau, und Ich mag keine Ver-
wandtschaften zwischen dem Auswärtigen Amt und Meinen Hofleuten.“
Ich: „Sachlich lege ich Eurer Majestät zwei Bitten ans Herz, sehr ernst
und sehr dringend.“ S. M. (abwehrend, ungeduldig, sieht nach seiner Arm-
banduhr): „Lieber Bernhard, Ich habe wirklich keine Zeit mehr.“ Ich:
„Das tut mir leid. Ich werde mich aber bemühen, Extrakt zu reden, in
fliegender Eile, wie der arme Dietrich Hülsen zu sagen pflegte. Trachten Sie,
zu einem Naval agreement mit England zu kommen.“ S. M. (sehr gereizt):
„Nun kommen Sie Mir zum Schluß noch mit dieser Sache! Habe Ich Ihnen
nicht oft genug gesagt, mündlich und brieflich und in soundsoviel Margi-
nalien, daß Ich Mir in Meine Schiffsbauten nicht hineinreden lasse! Jeder
solche Vorschlag ist eine Demütigung für Mich und Meine Marine.“ Ich:
„Ich habe Eurer Majestät nie zu etwas geraten, worunter unsere Ehre leiden
könnte. Aber eine so weitreichende und dabei schwierige Frage kann nicht
vom Standpunkt des Paukkomments behandelt werden. (Seine Majestät
runzelt die Stirn.) Und dann! Wie soll unsere Ehre darunter leiden,