Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

38 TRÜFFELGRAB, WOLKENSCHIEBER, SEMMELAFFE 
schlechten Dienst erwiesen hatte. Ob Eckardstein auch die Historie von der 
geheimen Berichterstattung an Seine Majestät kolportiert hat, kann ich 
nicht sagen. Da aber beide Geschichten immer zugleich erzählt werden, so 
ist es naheliegend, daß sie auch denselben Urheber haben können. Ich darf 
wohl darauf rechnen, daß Sie dafür sorgen, daß die private Äußerung in der 
Opera box nicht an Eckardstein oder A. Rothschild zurückgelangt, beson- 
ders da letzterer sich uns häufig als nützlich und als Freund erwiesen hat, 
mit dem ich auch persönlich die besten Beziehungen pflege.“ 
Ich muß meinerseits diesem Brief unseres Botschafters in London einen 
kurzen Kommentar beifügen. Der Marquis Soveral hatte als erster Sekretär 
der portugiesischen Gesandtschaft in Berlin, unter dem alten Regime, in 
der Berliner Gesellschaft der achtziger Jahre eine gewisse Rolle gespielt. 
Er war allgemein beliebt, ein häufiger Gast bei den Liebesmahlen der Garde- 
kürassiere und Gardeulanen, ein großer Ladies-man. Der alte Kaiser, der 
wie seine ganze Generation Leute mit weltmännischen Allüren und ins- 
besondere elegante Kurmacher gern mochte, hatte Soveral wiederholt 
ausgezeichnet. Der Berliner Witz hat sich seit jeher darin gefallen, bekann- 
ten Leuten Spitznamen zu geben. Der Hofmarschall des Prinzen Karl, 
Graf Gerhard Dönhoff, ein berühmter Gourmand, wurde das Trüffelgrab 
genannt. Ich habe gelegentlich erzählt, daß mein Großonkel, der Oberst- 
kämmerer Graf Wilhelm Redern, wegen seiner steifen Gangart und weil er 
die Nase hoch trug, der Wolkenschieber, sein Bruder, der Obergewand- 
kämmerer Graf Heinrich Redern, der nicht gerade mit viel Geist, aber mit 
einem auffällig großen Mund begabt war, der Semmelaffe hieß. Soveral 
nannte man wegen seiner südländisch blauschwarzen Haare den „blauen 
Affen“. Das neue Regime, das 1888 begann, war leider weniger taktvoll als 
das alte. Wilhelm II. gefiel sich darin, den Marquis Soveral nicht nur im 
Gespräch mit anderen den „blauen Affen‘ zu nennen, sondern ihn mitun- 
ter, wenn auch nur in der Form eines jovialen Scherzes, als solchen anzu- 
reden. Das war nicht nur geschmacklos, es war auch ungeschickt. Als 
Gesandter nach London versetzt, wurde Soveral sehr bald ein Günstling 
und Freund des Königs Eduard und der Königin Alexandra und ein Lieb- 
ling der Londoner Gesellschaft mit großem sozialem, nicht geringem politi- 
schem Einfluß. Von dem berühmten englischen Seemann Sir Walter 
Raleigh wird erzählt, daß er einmal, als die Königin Elisabeth von England 
an einem Regentag vor ibrem Palast aus ihrem Wagen aussteigen wollte, 
seinen kostbaren Mantel vor ihr ausgebreitet habe, damit sie ihre weißen 
Atlasschuhe nicht beschmutze. Soveral soll denselben Akt heroischer 
Galanterie gegenüber einer schönen Botschafterin vollzogen haben. Schon 
daß solche Anekdoten über ihn erzählt wurden, machte ihn den Lon- 
doner Upper ten thousand interessant. Meine Bemühungen, den Kaiser
	        
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