Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

Die Ent- 
lassung wird 
veröffentlicht 
522 BEI PHILIPPI SEHEN WIR UNS WIEDER 
Flut weiter zurückgehen wird. Wir werden auch sehen, ob die Fortschritte 
des Deutschtums in der Ostmark, die von den Oberpräsidenten von Posen 
und Westpreußen gerade in der letzten Zeit konstatiert worden sind, auf- 
rechterhalten und weiterentwickelt werden, ob man die Welfen nieder- 
halten wird, die im Jahre 1907 fortgefegt worden eind. Wenn dies gelingt, 
so wird sich niemand mehr darüber freuen als ich. Denn ich werde darin 
die Bestätigung erhalten, daß ich mit meiner Politik auf dem rechten Wege 
war, daß sie sich durchsetzt trotz der Febler der Konservativen. Wenn nicht, 
so wird man darin das schlimme Ergebnis der Haltung der Konservativen 
zu sehen haben, die dann als frivoles Spiel mit den Interessen der Mon- 
archie und des Landes erkannt werden würde. Bei Philippi sehen wir uns 
wieder.‘ Wenn ich zurückschauend an diese Worte denke, so halte ich sie 
aufrecht, auch wenn ein historisch gerechtes Urteil die Mitschuld des 
Kaisers nicht bestreiten kann. Der Hinweis auf Philippi war selbstverständ- 
lich keine Hoffnung, sondern eine Warnung. Auch Kassandra wünschte 
nicht den Untergang Trojas, als sie ihn fürchtete und, wie es in Schillers 
Ballade so schön heißt, ihn in „‚trauriger Klarheit‘ ahnte. Meine Unterredung 
mit Herrn von Eckardt schloß mit den nachstehenden, von mir an ihn ge- 
richteten Worten: .„.Ich scheide mit dem Wunsche, daß das deutsche Volk 
unter Überwindung aller Hindernisse und Gefahren in steigendem Wohl- 
stand, in Sammlung und ungebeugter Kraft seine Bahnen weiterverfolgen 
und seine Stellung in der Welt behaupten möge.“ Was den Vorwurf be- 
trifft, daß Heydebrand und Westarp im Winter 1908/09 mit den Interessen 
der Monarchie und des Landes ein frivoles Spiel getrieben hätten, so vermag 
ich ihn nicht zurückzunehmen, sondern kann höchstens hinzufügen, daß 
das von den konservativen Fraktionsführern betriebene Spiel nicht nur 
frivol, sondern gleichzeitig einfältig war. 
Am 14. Juli veröffentlichte der Reichsanzeiger meine Entlassung unter 
Verleihung der Brillanten zum Schwarzen Adlerorden und gleichzeitig 
die Ernennung des Staatssekretärs von Bethmann Hollweg zum Reichs- 
kanzler, des bisherigen Handelsministers Delbrück zum Staatssekretär des 
Innern, des bisherigen Schatzsekretärs Sydow zum preußischen Handels- 
minister und des bisherigen Unterstaatssekretärs im Reichsamt des Innern, 
Wermuth. zum Schatzsekretär. Der Kabinettsrat von Valentini überbrachte 
mir das Handschreiben, das der Kaiser anläßlich meines Rücktritts an mich 
gerichtet hatte und das ich nachstehend wiedergebe: „Mein lieber Fürst! 
Aus Ihrem erneuten Gesuch habe Ich zu Meinem schmerzlichsten Bedauern 
ersehen, daß Sie entschlossen sind, von Ihren verantwortungsvollen 
Ämtern als Reichskanzler, Präsident des Staatsministeriums und Minister 
der auswärtigen Angelegenheiten zurückzutreten. So schwer es Mir fällt, 
auf Ihre bewährte Kraft bei der Leitung der Reichs- und Staatsgeschäfte
	        
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