Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

Abschied 
von den 
Mitarbeitern 
526 LETZTE DINERS 
einen Handlanger und Pygmäen genannt und mit Zerschmetterung be- 
droht hatte: „Sunt pueri pueri, pueri puerilia tractant“ hatte Bismarck an 
den Rand des Zeitungsausschnittes geschrieben, in dem diese Schmähungen 
wiedergegeben worden waren. Und ich dachte auch an die alte weise Königin 
Victoria, die ihren ältesten Enkel „an overgrown schoolboy“ genannt hatte. 
Um meine Gedanken von solchen unerquicklichen Eindrücken abzulenken, 
ging ich vom „Grünen Hut“, dem Schauplatz meiner Abschiedsaudienz, 
zu Fuß nach Hause. Ich blickte auf das Reiterstandbild des Großen Kur- 
fürsten. Mit ihm hatte der Heldengang der brand 
Geschichte begonnen. Ich ging vorbei an den Denkmälern der Generäle 
von 1813, an den Monumenten von Blücher, Gneisenau, Bülow-Dennewitz, 
Yorck, von Scharnhorst, vielleicht dem edelsten von allen. Ich blickte empor 
zu dem Eckfenster, an dem in den letzten Jahren seiner gesegneten Re- 
gierung unser guter alter Kaiser sich zu zeigen pflegte, ich blickte auf das 
herrliche Denkmal des großen Königs. Ich schaute nach dem schlichten 
Palais, in dem so viele Jahre der ritterliche Held und Sieger von Wörth, 
unser lieber Kaiser Friedrich, gewohnt hatte. Ich ging weiter bis zum 
Brandenburger Tor, durch das dreimal in sieben Jahren das siegreiche 
preußische Heer eingezogen war, auf dem die Quadriga steht, die 1814 
aus Paris zurückgeholt worden ist, nachdem die Franzosen sie uns ge- 
stohlen hatten. Ich ging die Wilhelmstraße hinauf, wo schräg gegenüber 
dem Hause, in dem Bismarck das Reich schuf, die Helden des Sieben- 
jährigen Krieges unsterblichen Ruhm verkörpern. Die Erinnerung an eine 
so große Vergangenheit klärte und beruhigte mein erregtes Inneres. 
Obwohl weder mir noch meiner Frau danach zumute war, Feste zu 
veranstalten, so wollte ich doch mein Amt nicht verlassen, ohne meine 
Mitarbeiter noch einmal bei mir zu sehen. 
Am6. Juli hatte ich die preußischen Staatsminister und die Mitglieder des 
Bundesrats zu einem Diner von achtundvierzig Kuverts vereinigt, am 10. Juli 
lud ich die Herren vom Auswärtigen Amt zu einem Essen, zu dem zweiund- 
fünfzig Einladungen ergangen waren. Ich legte Wert darauf, zu diesem Essen 
auch die Subalternbeamten einzuladen, die mich so viele Jahre mit immer 
gleicher Pflichttreue und Hingebung unterstützt hatten. Auf eine Ansprache 
des Staatssekretärs von Schön erwiderte ich mit einer Rede, in der ich an 
die alten und engen Beziehungen erinnerte, die mich mit dem Auswärtigen 
Amt verbänden. Vor mehr als einem Menschenalter, vor sechsunddreißig 
Jahren sei ich als vierundzwanzigjähriger Attache in das Amt eingetreten, 
an dessen Spitze damals als Staatssekretär des Äußern mein seliger Vater 
gestanden habe. Zwei Jahrzehnte später sei ich selbst Staatssekretär 
geworden. Von Jugend auf mit dem Auswärtigen Amt verwachsen, danke 
ich jedem einzelnen und bitte alle, mir ein freundliches Andenken zu
	        
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