„BERNHARD HAT GEHEN WOLLEN“ 527
bewahren, „Ich sage Ihnen Lebewohl mit dem Wunsch und mit der Zuver-
sicht, daß das Auswärtige Amt, den Blick gerichtet auf die mahnende
Gestalt des größten deutschen Mannes, des ersten deutschen Reichskanzlers,
der ihm seinen Stempel aufgedrückt hat, stets auf dem Posten bleiben wird
für Deutschlands Interessen, für Ehre und Wohlfahrt unseres Volkes, für
Kaiser und Reich.“ Diese meine Zuversicht ist zu meinem tiefsten Schmerz
nicht in Erfüllung gegangen. Unter Schön, der sich nach meinem Rücktritt
nicht mehr beaufsichtigt fühlte, verbummelte das Amt. Durch Kiderlen
kam zeitweise wieder ein besserer Zug in die Behörde. Unter Jagow als
Staatssekretär wurde das Auswärtige Amt trotz der Gewissenhaftigkeit
und Pflichttreue des gediegenen Unterstaatssekretärs Zimmermann die
eigentliche Brutstätte der unheilvollen Politik, die mit dem Ultimatum
an Serbien eingeleitet wurde und Deutschland ins Verderben führte.
Am 15. Juli aßen die Majestäten ein letztes Mal bei uns. Sie hatten
spontan den Wunsch ausgesprochen, noch einmal meine Gäste zu sein.
Meine Frau kam dadurch in eine nicht ganz leichte Lage, da Silberzeug,
Livreen usw. für unsere Übersiedlung nach Rom, wo sie in ihrer liebevollen
und umsichtigen Weise schon 1904 für den Ankauf eines Tuskulums, der
Villa Malta, gesorgt hatte, sowie nach Norderney und Flottbek zum Teil
schon eingepackt waren. Der Kaiser erschien mit einem prachtvollen
Blumenbukett, das er meiner Frau mit den Worten überreichte: „Diese
Rosen habe ich heute früh bei meinem Morgenspaziergang in der Tiergarten-
straße bei Rothe gekauft, um sie Ihnen zu Füßen zu legen.“ Gleichzeitig
übergab er ihr ein schönes goldenes Armband mit seinem Porträt auf
Emaille von hübschen Brillanten umgeben. Der Kaiser sah sehr vergnügt,
die Kaiserin traurig aus. Unmittelbar nachdem der Kaiser meiner Frau
das Bracelet überreicht hatte, führte er mit ihr die nachstehende Unter-
redung, die meine Frau noch an demselben Abend in ihr Tagebuch eintrug.
Ich gebe diese Aufzeichnung wortgetreu wieder mit ihren kleinen stilisti-
schen Unebenheiten: „Seine Majestät: ‚Nun, das ist also das Abschieds-
diner. Was sagen Sie dazu?‘ Ich: ‚Ich bin sehr traurig, mich von Eurer
Majestät zu trennen, und bedanke mich herzlich für alle Güte, die Eure
Majestät und die Kaiserin für mich gehabt haben während der zwölf Jahre
meines Aufenthalts in Berlin.‘ S.M.: ‚Ich bin viel trauriger als Sie. Ich
habe Mich lange genug mit Händen und Füßen gesträubt, aber Bernhard
hat gehen wollen.‘ Ich: ‚Er ist gegangen, weil er überzeugt war, nicht mehr
Eurer Majestät nützlich zu sein. Der Reichstag hat die Erbschaftssteuer
abgelehnt. Der Block ist zersprengt. Unter solchen Umständen konnte
Bernhard nicht bleiben.‘ S.M.: ‚Ja, der Reichstag ist fuchswild. So etwas
ist Mir in Meiner ganzen Regierung nicht vorgekommen. Ich: ‚Herr von
Heydebrand hat die Konservativen so bockbeinig geführt.“ S. M.: ‚Heyde-
Wilhelm II.
Bülows Gast