Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

528 „MARSCH HINAUS!" 
brand ist verrückt. Nun wollen wir aber ein ernstes Wort miteinander 
reden. Sie müssen nicht glauben, daß die Erbschaftssteuer oder der Block 
Bernhard gestürzt haben. Den wahren Grund müssen Sie in den November- 
ereignissen suchen. Sehen Sie, die Herren haben Mich unter der Hand wissen 
lassen, daß sie sich in die Erbschaftssteuer hineingefunden hätten. Aber sie 
haben ihn gestürzt, weil sie gefunden haben, daß er seinen kaiserlichen 
Herrn nicht genug verteidigt hätte.‘ Ich: ‚Aber, Majestät, die Konser- 
vativen waren ja am schroffsten im November und haben ja die Adresse 
gemacht.‘ (Damit meinte meine Frau die am 6. November 1908, vier Tage 
vor der Reichstagsdebatte, von der „Konservativen Korrespondenz“ und 
der „Kreuz-Zeitung‘ veröffentlichte, sehr scharfe parteioffizielle Kund- 
gebung gegen die unvorsichtigen Äußerungen des Kaisers auf dem Gebiet 
der auswärtigen Politik.) S.M.: ‚Na, das gehört auf ein anderes Brett. Die 
Herren werde Ich Mir noch kommen lassen und ihnen gehörig den Kopf 
waschen.‘ Ich: ‚Majestät, ich bin keine Politikerin, aber das eine weiß ich, 
und ich schwöre darauf, daß Bernhard Eurer Majestät mit Leib und Seele 
ergeben ist. Er hat seit zwölf Jahren keinen anderen Gedanken gehabt, als 
Ihnen treu zu dienen. Im November hat er schwer gelitten, er hat sich Tag 
und Nacht gewissenhaft überlegt, wie er Eure Majestät retten könnte und 
das Verhältnis zwischen Eurer Majestät und der Nation wiederherstellen. 
Das ist ihm gelungen, und Eure Majestät stehen wieder hochverehrt da.“ 
S.M.: ‚Jawobl, Ich stehe hoch da, weil die Leute einsehen, daß sie Mir 
Unrecht getan haben.‘ Ich: ‚Aber was finden Eure Majestät, das Bernhard 
im Novembersturm hätte tun sollen?‘ S.M.: ‚Er hätte im Reichstag auf- 
stehen und erklären müssen: Ich verbitte mir eine solche unverschämte 
Sprache gegen den kaiserlichen Herrn. Wie untersteht ihr euch, so zu 
sprechen ? Marsch, hinaus! Bernhard hätte sich mit Mir solidarisch erklären 
müssen. Er wußte genau, was im „Daily Telegraph““ stand. Ich habe es ihm 
geschrieben aus Highceliffe.‘ Ich: ‚Aber Bernhard hat einen solchen Brief nie 
erhalten.‘ S.M.: ‚Wenn Ich ihm nicht geschrieben habe, so habe Ich es ihm 
gesagt. Ich kann Ihnen den Baum in Ihrem Garten zeigen, wo Ich es ihm 
sagte.‘ Ich: ‚Majestät sind in diesem Winter gegen Bernhard gehetzt 
worden. Die Konservativen haben die Erbschaftssteuer nicht zahlen 
wollen. Als sie aber bemerkten, daß sie dies unpopulär machte, haben sie es 
so gedreht, als ob es wegen der Novemberereignisse gewesen wäre, und haben 
Bernhard gestürzt. Das Zentrum hat sich natürlicherweise für die Auflösung 
rächen wollen. Aber es ist unmöglich, daß Eure Majestät auf diese Intrigen, 
Klatschereien und Verdrehungen ’reinfallen. Sie kennen Bernhard seit 
vielen Jahren, und es ist nicht möglich, daß Eure Majestät diesen treuen 
Diener und diesen glühenden Patrioten vor Intrigen und Parteihaß ver- 
dächtigen können. Es wäre zu traurig, wenn elende Intrigen so triumphierne