Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

Handels- 
verträge mit 
Rumänien 
un 
Österreich 
48 DER THRONFOLGER ALEXE]J 
der langersehnte Sohn geboren, der den echt russischen Namen Alexej 
Nikolajewitsch erhielt und schon am Tage seiner Geburt zum Chef eines 
finnländischen Leibgarderegiments, eines ostsibirischen Schützenregiments, 
zum Hetman aller Kosakenregimenter ernannt und gleichzeitig & la suite 
von zwei Garde- und vier Linienregimentern gestellt wurde. Alle diese heute 
fast kindlich anmutenden Auszeichnungen haben nicht hindern können, 
daß das arme Kind ein frühes und schreckliches Ende fand, ein um so grau- 
sameres Schicksal, als es sich um einen seit seiner Geburt kränklichen 
Knaben handelte. Alexej Nikolajewitsch war, was man einen Bluter nennt. 
Seine Taufpaten waren Kaiser Wilhelm und König Eduard. Der erstere ließ 
sich bei der Taufe in Petersburg durch seinen Bruder Heinrich vertreten, 
der mir bei seiner Rückkehr nicht genug zu rühmen wußte, wie glücklich 
die kaiserlichen Eltern über die Geburt des Thronerben wären. Die Kaiserin 
Alexandra Feodorowna war zur Belohnung zum Chef eines Dragoner- 
regiments ernannt worden. 
Durch den Abschluß eines Handelsvertrags mit Rußland waren wir 
gegen die Gefahr einer wirtschaftlichen Isolierung Deutschlands gesichert. 
Die Anbahnung vertrauensvoller und freundschaftlicher Beziehungen 
zwischen mir und dem hervorragendsten Staatsmann, über den das rus- 
sische Reich damals gebot, war für uns ein nicht zu verachtender Neben- 
gewinn. Ich wünschte auch den Handelsvertrag mit Rumänien so bald als 
möglich unter Dach und Fach zu bringen und lud zu diesem Zweck meinen 
alten persönlichen Freund, den rumänischen Staatsmann Demeter Sturdza, 
nach Homburg v.d. H. ein, wo ich im Herbst einige Wochen verlebte. In 
kurzer Zeit kam zwischen uns eine Verständigung zuwege. Da ich dem um 
das Zustandekommen des Zolltarifs sehr verdienten Grafen Posadowsky 
die Freude bereiten wollte, einen wichtigen Vertrag, den Handelsvertrag 
mit Österreich-Ungarn, selbständig abzuschließen, so entsandte ich ihn zu 
diesem Zweck nach Wien. Es zeigte sich bald, daß eine ungewöhnliche Ar- 
beitskraft und ebenso seltene wirtschaftliche Kenntnisse noch nicht zum 
Unterhändler befähigen, mit anderen Worten, daß die Diplomatie, um mit 
Bismarck zu reden, nicht, wie die Deutschen bisweilen glauben, eine 
Wissenschaft, sondern eine Kunst ist. Posadowsky fuhr sich in Wien in 
kurzer Zeit völlig fest. Statt die dortigen Verhältnisse zu nehmen, wie sie 
nun einmal waren, und das Beste aus ihnen zu machen, hielt er Zis- und 
Transleithaniern im Tone des geheimrätlichen Berliner Besserwissers Vor- 
träge über die Nachteile des Dualismus, bei dem niemand wisse, wer eigent- 
lich Koch und wer Kellner sei. Die Nachteile jener Staatsordnung waren 
unbestreitbar, sie schrien zum Himmel. Aber die österreichischen Unter- 
händler waren nun einmal nicht in der Lage, sie zu beseitigen, und wünsch- 
ten vor allem nicht, durch einen Fremden darüber belehrt zu werden. „Je
	        
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