Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Zweiter Band. Von der Marokko-Krise bis zum Abschied. (2)

IV. KAPITEL 
Tod des Fürsten Herbert Bismarck (18. IX. 04) - Seine Charakteristik + Ausbruch des 
Russisch- Japanischen Krieges » Brief des Grofen Metternich über den Doggerbank- 
zwischenfall - Der Lippische Thronfolgestreit, seine Beilegung im Bundesrat » Besuch 
des italienischen Ministerpräsidenten Giolitti in Homburg « Wilhelm II. drängt zu einer 
Allianz mit Rußland » Der Kaiser auf den Jagden in Schlesien, ungünstige dortige 
Einflüsse. Bericht des Gesandten von Schön » Antienglische Stimmung Wilhelms II. 
Die Frage der dänischen Neutrolität » Besorgte Briefe Philipp Fulenburgs aus Schlesien 
Unterredung mit Wilhelın Il. am Silvestertag 1904: Bülow bemüht sich, die deprimierte 
Stimmung Seiner Majestüt zu heben und den Kaiser aufzurichten 
chon seit längerer Zeit waren beunruhigende Gerüchte über den Gesund- 
Herbert heitszustand des Fürsten Herbert Bismarck verbreitet. Es war schwer 
Bismarck zu glauben, daß der stattliche Mann, der ein Bild von Kraft und Lebens- 
bejahung schien, den Todeskeim in sich tragen sollte. Um so erschütternder 
wirkte auf mich die Nachricht von seinem Tod, die mich am 18. September 
1904 überraschte. Ich habe fünf Freunde gehabt, die meinem Herzen 
besonders nahestanden: llerbert Bismarck, Philipp Eulenburg, Franz 
Arenberg, Bodo Knesebeck, Friedrich Vitzthum. Herbert habe ich wohl 
am meisten geliebt, wozu auch die Bewunderung beigetragen haben mag, 
die ich von Kindesbeinen an und durch mein ganzes Leben hindurch für 
seinen großen Vater empfand. Meine erste Erinnerung an Herbert ist, daß 
ich in dem hübschen Garten unseres Frankfurter Hauses in der Mainzer 
Gasse mit Herbert, seinem Bruder Bill und unserer gemeinsamen Freundin, 
der damaligen kleinen Christa Eisendecher, späteren Gräfin Eickstedt- 
Peterswaldt, spielte. Herbert und Bill wollten die kleine Christa zwingen, eine 
dicke Kröte zu küssen. Ein Zug germanischer Roheit war beiden Brüdern 
eigen. Mein Bruder Adolf und ich verteidigten Christa, was zu einer solennen 
Prügelei führte. Das Leben führte uns erst viele Jahre später wieder zusam- 
men. Politisch tratich Herbert während meiner Petersburger Dienstzeit nahe, 
wo eine lange fortgesetzte politische Privatkorrespondenz zwischen uns ihren 
Anfang nahm. Nach dem Sturz seines Vaters suchte Herbert mich im 
August 1890 in Wildbad auf, wo ich einige Wochen mit meiner Frau weilte. 
Was er mir hier über die Trennung zwischen dem großen Fürsten und Kaiser 
Wilhelm II. erzählte, konnte meine Treue für den ersteren nur noch vertiefen.
	        
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