„ICH LASSE DAS MILITÄR NICHT VEREIDIGEN!" 59
Ruhe in das Mausoleum geleitete, wo sein großer Vater ruht. Nehmt alles
nur in allem, er war ein Mann, mit seinen Fehlern und mit seinen Tugenden.
Er war eine achilleische Natur, und wie dem Peliden war ihm kein langes
Leben beschieden. Über den Tod von Herbert Bismarck schrieb mir Philipp
Eulenburg: „Der Tod Herbert Bismarcks hat auch bei mir eine Welt von
Erinnerungen wachgerufen! Welch ein armer Mensch! Das innerliche
Leben zu Bitterkeit und unbefriedigtem Erdenhoffen zusammengetrocknet.
Wie wenig Liebe gab er, und wie wenig empfing er. Ich habe ihn einst sehr
gern gehabt. Sein Leben war wie eine leuchtende Rakete, die wir so schnell
aufsteigen sehen und die vor uns plötzlich in einzelnen verglimmenden
Teilen im Dunkel verschwindet. Daß ich ihn überleben würde, habe ich
niemals für möglich gehalten. Du hast durch den Tod dieses Unzufriedenen,
der um seine Träume mit immer leidenschaftlicherer Energie kämpfte, je
mehr die Jahre seines Lebens den Zenit überschritten, gewonnen. Du
beklagst seinen Tod, weil Du ein guter Mensch bist.“
Während der Heimgang des Fürsten Herbert Bismarck vor der Nation
wieder die gewaltige Gestalt seines Vaters erstehen ließ, war die an sich un-
beträchtliche Erbschafts- und Regentschaftsfrage in Lippe-Detmold durch
den Tod des Regenten von Lippe, des Grafen Ernst zu Lippe-Biesterfeld,
wieder einmal aufgerollt worden. Der Kaiser richtete aus Rominten an den
Grafen Leopold von Lippe, der ihm den Heimgang seines Vaters in der
respektvollsten Form gemeldet hatte, das nachstehende Telegramm: „Ich
spreche Ihnen mein Beileid zum Ableben Ihres Herrn Vaters aus. Da die
Rechtslage in keiner Weise geklärt ist, kann Ich die Regentschaftsüber-
nahme Ihrerseits nicht anerkennen. Ich lasse auch das Militär nicht ver-
eidigen.‘‘ Der Kaiser hatte dieses Telegramm unmittelbar nach dem Ein-
gang der Meldung des Grafen Leopold und ohne Rückfrage bei mir abge-
sandt, obwohl ich ihn immer wieder ersucht hatte, diese an und für sich
kleine und kleinliche Angelegenheit nicht durch die Art und Weise, wie er
sie behandelte oder, richtiger gesagt, mißhandelte, zu einer größeren und
für die innere Ruhe des Reichs nicht unbedenklichen Frage aufzubauschen.
Das scharfe Telegramm des Kaisers an den Sohn, in dem Augenblick, wo
dieser um seinen Vater trauerte, machte nicht nur an fast allen deutschen
Höfen, sondern in den weitesten Kreisen des deutschen Volks einen sehr
ungünstigen Eindruck. Das kleine Land stellte sich hinter den Grafen
Leopold. Der Vizepräsident des Lippeschen Landtages, der Kommerzien-
rat Hoffmann, erschien bei mir in Homburg v. d. H., wo ich mich gerade
aufbielt, um mir die Erregung zu schildern, die in seiner Heimat herrsche.
Der Kaiser antwortete auf meine Telegramme, in denen ich zu größerer
Vorsicht riet, mit dem von ihm immer wieder ins Feld geführten Argument
der vollen Ebenbürtigkeit als der Grundlage deutscher Fürsten- und somit
Wilhelm II,
an den Solın
des Biester-
Jelders