Ver-
abschiedung
des Gesandten
Grafen
Wallwitz
Ein Brief
Bethmanns
vIL. KAPITEL
Wechsel in der Brüsseler Gesandtschaft » Intrigen Flotows gegen Wallwitz - Briefwechsel
zwischen Bülow und Bethmann « Neuorientierung der deutschen Politik gegenüber
Belgien durch Bethmann » Bismarck und Belgien 1870 +. Besuch Bethmanns in Rom
im März 1910 - Frau von Flotow « Die politische Gesamtlage » Die Reichstagswahlen
1912 »- Tod Eduards VII. » Herr von Kiderlen in Rom » Briefe aus der lIleimat: Frost
Bassermann, Lichnowsky
nfang Januar 1910 erhielt ich in Rom die Nachricht von einem in der
Adeneenen Vertretung in Brüssel bevorstehenden Wechsel, die mich nicht
nur persönlich verstimmte, sondern mehr, viel mehr als das, mich mit ernster
politischer Sorge erfüllte. Meine Stieftochter schrieb mir, daß ihr Gatte,
der Graf Nikolaus Wallwitz, der dort seit neun Jahren als deutscher Ge-
sandter wirkte und sich in Belgien großen und allgemeinen Vertrauens er-
freute, vom Reichskanzler in einem Privatschreiben aufgefordert worden
wäre, umgehend seinen Abschied einzureichen. Brüssel müsse in nächster
Zeit neu besetzt werden, für Wallwitz sei kein anderer Posten vorhanden.
Als Grund wurde eine von der Reichsregierung in Aussicht genommene
Neuorientierung der deutschen Kolonialpolitik angegeben. Wallwitz wurde
gleichzeitig zur Pflicht gemacht, seinen Rücktritt so zu vollziehen, daß er
als ein freiwilliger, nur durch Gesundheitsrücksichten gebotener erschiene.
Wallwitz, der eine dreißigjährige, tadellose Dienstzeit hinter sich hatte,
benahm sich auch bei diesem Anlaß als Patriot und Gentleman. Er verließ
Brüssel ohne ein Wort der Klage oder Beschwerde und vermied es sogar,
sich direkt nach seiner engeren Heimat, nach Sachsen zu begeben, um dort
nicht partikularistischer Abneigung gegen die Berliner Zentralstelle Nah-
rung zu geben. Er hat erst nach längerer Zurückgezogenheit in Wiesbaden
seine Vaterstadt Dresden wieder aufgesucht.
Nach erfolgtem Rücktritt des Grafen Wallwitz erhielt ich von meinem
Nachfolger den nachstehenden Brief: „Hochverehrter Fürst, Eurer Durch-
laucht möchte ich nicht unterlassen mit Rücksicht auf die zwischen Ihnen
und dem Gesandten Graf Wallwitz bestehenden Beziehungen ganz persön-
lich und vertraulich und mit der Bitte um strenge Geheimhaltung Auf-
schluß über die Gründe zu geben, die zu dem bevorstehenden Rücktritt des