Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

DER PANTHERSPRUNG 87 
daß Eduard VII. auf den Krieg gegen Deutschland losgesteuert wäre, wie 
dies unter Bismarck bei Skobelew und Boulanger, zu meiner Zeit bei 
Delcasse und den englischen Marinechauvinisten der Fall war, später bei 
Poincar& und dem Großfürsten Nikolai Nikolajewitsch der Fall sein sollte, 
Aber König Eduard bereitete uns, weil er die Deutschen nun einmal nicht 
mochte, aus Abneigung gegen seinen Neflen, auch aus Sorge vor der 
deutschen wirtschaftlichen Konkurrenz und vor dem hitzigen Tempo 
unserer Schiflsbauten, wo er konnte, Schwierigkeiten und Hindernisse. 
Meine persönlichen Beziehungen zu dem klugen und, wenn er wollte, so 
liebenswürdigen Monarchen waren während dreißig Jahren immer freund- 
lich gewesen. Auf das Telegramm, das ich nach dem Ableben des Königs 
Eduard an seine Witwe richtete, antwortete mir die Königin Alexandra: 
„I am so deeply touched by your kind telegram of sympathy at this time 
of my terrible bereavement.“ 
Ebenso bedauerlich wie der Ausfall der Reichstagswahlen von 1912 war 
die Agadir-Episode, die 1911 wie ein mißglücktes Feuerwerk die Welt erst 
verblüffte, dann zum Lachen gereizt und uns nur blamiert hatte. Bei dem 
Panthersprung nach Agadir kam erst die Fanfare, dann folgte nach der 
Rede von Lloyd George eine klägliche Chamade. Es war einige Monate 
nach dieser Rede, daß mir der italienische Minister des Äußern, Marchese 
San Giuliano, sagte: „In der Stunde, wo die deutsche Regierung vor der 
brutalen Drohung von Lloyd George zurückwich, wurde in Frankreich der 
Esprit nouveau geboren, d.h. der Galliergeist, l’ancien esprit guerrier et 
belliqueux des Gaulois qui dormait depuis 1871 et qui, en 1888, avait ete 
refoul€ par Bismarck, en 1905 par vous.“ Für den Panthersprung war 
Kiderlen-Wächter verantwortlich, der 1910 Schön als Staatssekretär des 
Auswärtigen Amts abgelöst hatte. Als ihn auf seiner Fahrt von Bukarest 
nach Berlin auf der Durchreise durch München ein Kollege am Bahnhof 
beglückwünschte, antwortete er ihm vor einem größeren Kreis mit allzu 
derbem Witz: „Mir sollten Sie nicht gratulieren, denn ich hatte es an der 
Dimbowitza bequemer und besser, als ich es an der Spree haben werde. 
Aber darüber können Sie sich freuen, daß Sie eine solche Größe wie 
Schön als Chef losgeworden sind.“ Kiderlen hat bis an sein Lebensende 
behauptet, die Schuld an dem Fiasko der mit der Entsendung des Panthers 
nach Agadir eingeleiteten Aktion wie für das unbefriedigende Ergebnis der 
darauf mit Frankreich eingeleiteten Marokko- und Kongo-Verhandlungen 
sei darauf zurückzuführen, daß während der diplomatischen Kampagne 
Wilhelm II. zwischen Drohungen und übertriebenen Forderungen auf der 
einen, Entmutigung und zu weit gehender Nachgiebigkeit auf der anderen 
Seite hin und her geschwankt, der Kanzler Bethmann dagegen, sobald es 
nach Pulver roch, total die Nerven verloren habe. Das letztemal, wo ich 
Die Agadir- 
Episode
	        
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