vIll. KAPITEL
Besuch Adolf von Harnacks in Rom » Harnacks Stellung zum Kaiser vor und nach der
Revalution » Besuch in Brandenburg a. d. H. im Sommer 1913 + Familientag in Doheran
Gedächtnisrede anläßlich der Enthüllung des Denkmals für den General von Bülow-
Dennewitz - Zustimmende Briefe « Gruf Roon » Besuch bei Fitger in Bremen
in vierzehntägiger Besuch von Walter Rathenau in Rom war uns will-
kommen. Mit diesem anregenden und angeregten, geist- und gedanken-
vollen Mann in den Gefilden der Natur und Kunst zu spazieren, war ein
Vergnügen. Unvergeßlich bleibt mir der Abend des 21. April 1910, des
Natalizio der Ewigen Stadt, an dem Rathenau und ich vom Turme der
Villa Malta auf das lichtstrahlende Rom hinabblickten und dabei die
hier zu Stein gewordenen Ideen der Weltgeschichte überdachten und
besprachen.
Adolph Harnack verweilte in demselben Jahr mehrere Wochen in
unserem Hause: ein Gelehrter von umfassender Bildung, von feinem, ich
möchte fast sagen, attischem Geist, dessen Charakter freilich nicht auf
gleicher Höhe stand. Heinrich Heine sagt von dem Pyrenäenbär Atta
Troll, dieser sei kein Talent gewesen, aber ein Charakter. Bei Adolph
Harnack lag die Sache umgekehrt: Ein Talent, doch kein Charakter.
Niemand hat Wilhelm II. mehr umschmeichelt als Adolph Harnack, mit
alleiniger Ausnahme von Theodor Schiemann. Aber der Historiker
Schiemann schmeichelte in plumper Weise, der Theologe Harnack mit
Grazie. In seiner geschmeidigen Art erinnerte Harnack an die griechischen
Rhetoren und Sophisten, die persische Satrapen und mazedonische
Diadochen bezauberten und gelegentlich verrieten, an die Graeculi der
römischen Kaiserzeit. Ich erinnere mich eines Diners in meinem Hause
während meiner Kanzlerzeit, an dem der Kaiser teilnahm und zu dem ich
auf seinen Wunsch seine beiden Lieblinge, Harnack und Schiemann,
geladen hatte. Schiemann hielt nach Tisch in seiner breiten Weise einen
Vortrag darüber, daß der Deutsche Kaiser und König von Preußen
eigentlich nur einen einzigen Titel führen sollte: Oberster Kriegsherr! Darin
läge alles, und damit würde an die Vorzeit angeknüpft, an die Herzöge der
Germanen. Ich schnitt diesen Unsinn ab mit der Bemerkung, daß die
Walter
Rathenau
und Ilarnack
in Rom