1813 UND 1913 99
sophischen Königin und ersten Ordenskanzlers des Ordens vom Schwarzen
Adler. Es verstand sich von selbst, daß ich, der ich mich mit Stolz Ehren-
doktor der Universität Königsberg, der gelehrten Albertina, nannte, die
Grabstätte des Weisen von Königsberg aufsuchte. Mit Bewegung las ich die
der „Kritik der praktischen Vernunft‘ entnommene Inschrift: „Der be-
stirnte Himmel über mir, das moralische Gesetz in mir.“ Gern hätte ich
das Haus in der Prinzessinstraße betreten, das einundzwanzig Jahre lang
Kant beherbergte, dessen Geist Jahrhunderte alte Anschauungen und
Begriffe aus den Angeln hob, während ihn seine Füße nicht über das
Weichbild seines Geburtsortes hinaustrugen. Aber das bescheidene Haus
hatte ein Jahr vorher einem Neubau Platz machen müssen. Ein Königs-
berger Verehrer schenkte mir freundlicherweise eine hübsche Feder-
zeichnung, die unter dem wohlgetroffenen Bild des Weltweisen sein
Häuschen wiedergibt. Die Zeichnung hängt in meinem Flottbeker Heim.
Am 6. September 1913 wohnte ich mit meiner Frau der Enthüllung des
Denkmals bei, das anläßlich der Jahrhundertfeier der Schlacht von Denne-
witz dem Sieger in jener Schlacht, dem General Friedrich Wilhelm Bülow,
in Dennewitz errichtet worden war. Eine Deputation des Infanterie-
regiments Graf Bülow von Dennewitz (6. Westfälisches) Nr. 55 war zu der
Feier erschienen, zu der aus allen Teilen der Provinz Brandenburg märkische
Männer herbeigeeilt waren, unter ihnen viele Veteranen unserer siegreichen
Kriege. Das Monument stellt einen Landwehrmann von 1813 dar, wie er
mit gefälltem Bajonett zum Angriff vorgeht, ein neben ihm stehender
Offizier weist ihm den Feind. Die Vorderseite des aus Granit bestehenden
Sockels trägt unter dem Bildnis des Siegers von Dennewitz als Inschrift die
Verse unseres alten Ernst Moritz Arndt:
Auf, mutig drein, und nimmer bleich,
Denn Gott ist allenthalben!
Die Freiheit und das Himmeclreich
Gewinnen keine Halben!
Die Rückseite des Sockels schmückt ein Reliefbild, das die mit Kolben
und Bajonett auf den Feind anstürmenden Preußen zeigt, als Unterschrift
der Schlachtruf der Landwehr in der Dennewitzer Schlacht: „Man drup, dat
geiht fört Vaterland!“ Ich war ersucht worden, dem Sieger von Dennewitz
die Gedächtnisrede zu halten. Nachdem ich vor dem Monument in großen
Zügen den Verlauf der Schlacht geschildert hatte, die eine der wenigen
Schlachten der Weltgeschichte ist, wo, entgegen dem bekannten Ausspruch
von Napoleon, der Himmel mit den an Zahl schwächeren Bataillonen war,
frug ich, warum Preußen vor hundert Jahren gesiegt habe, und ich ant-
wortete: „Weil das preußische Volk den Sieg, die Rettung vom fremden
7!
Jahrhunderte
feier in
Dennewitz