Reise nach
Bremen
Friedrich
Ebert
104 FÜRST BÜLOW UND DER KOMMUNIST
dazu: ‚Der Beste war der Fürst Bülow.‘ Ich stimmte darin mit ihm voll-
kommen überein.“
Von Dennewitz führte uns unser Weg nach Bremen, wo mir ein lieber
Freund wuhnte, der in ungefähr allen wirtschaftlichen und politischen
Fragen anders dachte als ich, mit dem mich aber seit Jahren aufrichtige
Wertschätzung und gegenseitige Sympathie verbanden, zum Chefredakteur
der „Weser-Zeitung‘‘, Emil Fitger.
Manches Jahr ist verstrichen, seit ich in der letzten Rede, die ich im
Reichstage gehalten habe, der Hoffnung Ausdruck gab, daß sich der poli-
tische Takt bei uns bessern werde und daß auch wir Deutsche allmählich
dahin kommen würden, den politischen Gegner nicht eo ipso für einen
Narren oder einen Bösewicht zu halten. Das würde dann ein schöner Fort-
schritt sein, auf dem uns von unserem größten Dichter empfohlenen Wege
der Abstreifung von Philisternetzen. Mehr als ein Jahrzehnt später, nach
Weltkrieg und Umsturz, frage ich mich, ob wir in dieser Beziehung in-
zwischen sehr viel weiter gekommen sind. Aber ich empfinde eine gewisse
Genugtuung bei dem Gedanken, daß ich mich selbst von solchen Philister-
netzen schon früh befreit habe. Im Winter 1919/20 promenierte ich bis-
weilen, und nicht ungern, mit einem Kommunisten, dem ich ganz inter-
essante Einblicke in die echt marxistische Mentalität und Psyche verdanke.
Schließlich sind die Mehrheitssozialisten doch nur verwässerte, opportuni-
stische Marxisten. Nicht mit Unrecht hat Franz Mehring sein übrigens be-
deutendes, glänzend geschriebenes Buch über Karl Marx der Kommunistin
Klara Zetkin gewidmet, als der wahren Erbin marxistischen Geistes.
Seinerseits machte mir in jenem Winter 1919/20 auf unseren Spaziergängen
mein kommunistischer Freund einmal das artige Kompliment, es sei ihm
wertvoll, in mir einen der letzten Vertreter präkommunistischer Kultur
und Denkungsweise, den vielleicht letzten wirklichen „politischen Grand-
seigneur‘“ kennenzulernen. Matthias Erzberger, Gustav Bauer, selbst
den „eleganten“ Scheidemann und den „schönen“ Josef Wirth wollte
er nicht recht als solche gelten lassen. Zwischen dem trefflichen Fitger und
mir war, wie schon früher so auch diesmal, von einem ernstlichen Disput
nicht die Rede. Er ließ mir meinen Bismarck und meinen Treitschke und
ich ihm seinen Caprivi, dem er ein rührend treues Andenken bewahrte,
und seinen verbittert-verbohrten Theodor Barth. Wir bewunderten zu-
sammen die Sehenswürdigkeiten von Bremen, das viele Tüchtige und
Schöne, das hier in alter Behäbigkeit und Solidität ein kräftiges Bürgertum
geschaffen hat.
In Bremen hörte ich zum ersten Male aus dem Munde Fitgers den Namen
des Arbeiterführers Ebert, den Fitger mir als einen braven und „relativ“
vernünftigen Mann rühmte, namentlich im Gegensatz zu dem damaligen