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beglückende holde Musik dieses großen Lebens. Eines der schönsten Paare
unserer Geschichte. Eine herrliche Mischung von Deutsch und Welsch,
vielleicht die allerschönste. So bleiben Sie noch ungezählte Jahre am Him-
mel stehen, goldne Doppelsterne! Ich schreibe so im Flug, damit’s recht-
zeitig zu Ihnen kommt. Ich liebe Sie beide von ganzem Herzen. Treue ohne
Ende! Dankbarkeit, Verehrung! Glück, daß Sie leben! Ihr Adolf Wil-
brandt.“ Gustav Schmoller hatte mir geschrieben: „Fünfundzwanzig
Jahre glücklicher Ehe sind in der Bilanz des Lebens einer der schönsten
Posten. Doppelt dem zu gönnen, der diese fünfundzwanzig Jahre ganz in
aufreibender Arbeit, im Dienste des Vaterlandes an verantwortlichster Stelle
zugebracht hat. Wem es vergönnt war, Jahre lang die Frau Fürstin und Sie,
hochverehrter Fürst, in ziemlicher Nähe zu beobachten, der könnte an
Ihrem beiderseitigen Glücke so wenig zweifeln wie an der Tatsache, wie
selten Sie beide sich ergänzen, wie Sie zueinander passen. Der müßte nur
zweifeln, wen und was cr mehr bewundern solle: die Grazie, die Talente,
die Liebenswürdigkeit der Frau Fürstin oder die Weisheit, die Kunst der
Menschenbehandlung, die olympische Ruhe und Heiterkeit Ihrer Persön-
lichkeit. Wenn ich für Deutschland einen Wunsch aussprechen sollte, so
wäre es der: Kommen Sie wieder und regieren Sie uns. Wenn ich aus Ihrer
Seele heraussprechen soll, so wünsche ich Ihnen das reine Glück ungetrübter
Ruhe an der Seite einer solchen Gattin!“ Das Lob meiner Frau gebe ich
wieder, denn es ist gerecht. Die mir von dem Gelehrten und dem Dichter
gespendete freundliche Anerkennung stelle ich unter den Schutz der
tröstenden Worte des alten Publius Ovidius Naso: „Principibus placuisse
viris non ultima laus est.“
Bei meinen täglichen und ausgedehnten Spaziergängen am Genfer See,
dem clear placid Leman, wie ihn Byron nennt, drängten sich mir immer
wieder die Sorgen auf, mit denen mich die Entwicklung der Dinge in der
deutschen Heimat erfüllte, dem Land voll Lieb und Leben, dem ich mich
ergeben hatte mit Herz und Hand, seitdem ich dreiundvierzig Jahre früher
als junger Husar ins Feld gezogen war. Ich bemühte mich, bei meinen stillen
Reflexionen nicht in den Fehler mancher Diplomaten und Politiker zu ver-
fallen, die, sobald sie nicht mehr selbst auf der Bühne agieren, vom Zu-
schauerraum aus alles kritisieren, mit allem unzufrieden sind. Wie oft habe
ich mich an das Wort unseres welt- und menschenkundigen Botschafters
Schweinitz erinnert, der in der Bismarckschen Zeit zu sagen pflegte, es
gebe cigentlich nur zwei Arten von Menschen: die Leute in office und die
Leute out of office. Die ersteren lobten alles, was geschehe, seien mit allem
zufrieden und meinten, que tout £tait pour le mieux dans le meilleur
des mondes possibles; die anderen tadelten alles und fänden, daß alles,
was entsteht, wert wäre, zugrunde zu gehen. Aber auch einer objektiven,