Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

BEGINN DES JAHRES 1914 125 
Liebling des Kanzlers Bethmann, an die um ihn versammelte deutsche 
Kolonie in Rom in meiner Gegenwart eine offenbar sorgsam vorbereitete 
und auswendiggelernte Rede, in der er wörtlich erklärte: Auf die inter- 
nationale Lage könne das Auge des Patrioten mit Genugtuung und voller 
Zuversicht blicken. Dank der Weisheit des Reichskanzlers Bethmann und 
der Klugheit des Staatssekretärs Jagow sei unsere Stellung in der Welt 
sehr günstig. Die Friedensliebe und das Friedensbedürfnis aller Mächte 
seien gleich lebhaft und gleich aufrichtig. Sie alle sähen mit Vertrauen und 
mit warmer Sympathie auf uns und unsere gegenwärtigen diplomatischen 
Lenker: 
Sie wissen gar nichts 
Von stillen Riffen; 
Und wie sie schiffen, 
Die lieben Heitern, 
Sie werden wie gar nichts 
Zusammen scheitern. 
Mit solchen Äußerungen chronischer Selbstzufriedenheit des amtlichen 
und halbamtlichen Deutschland stand die Auffassung selbst uns wohl- 
gesinnter Politiker des Auslands nicht ganz im Einklang. Im April 1914 
besuchte mich in Rom mein alter Bukarester Freund Peter Carp. Ich fuhr 
ihn in meinem Auto an einem herrlichen Frühlingstage nach der Villa 
Adriana. Während wir an der Poikile auf und ab gingen, wo vor achtzehn 
Jahrhunderten der eitle Kaiser Hadrian mit seinen Philosophen zu 
promenieren liebte, blieb Carp plötzlich stehen und sagte mir in seiner 
abrupten und originellen Art: „Sie sehen vor sich den letzten zuverlässigen 
Dreibundsfreund, den es in Bukarest noch gibt.“ Er erläuterte mir darauf 
mit ernstem und sorgenvollem Gesicht seine Boutade. Rumänien habe sich, 
wie ich als langjähriger deutscher Vertreter in Bukarest besser wisse als 
irgend jemand, dem Dreibund nur in der Erwartung angeschlossen, daß 
dessen Führung bei Deutschland bleiben würde, denn zwischen Rumänien 
und Österreich-Ungarn oder vielmehr zwischen Rumänien und der trans- 
leithanischen Hälfte der Doppelmonarchie bestünden scharfe Gegensätze. 
Seit meinem Rücktritt habe man in Rumänien, ähnlich wie in Italien, den 
Eindruck, daß die Leitung des Dreibundschiffes von Berlin nach Wien 
geglitten sei. Einem von Österreich-Ungarn dirigierten Dreibund würde 
Rumänien im Falle kriegerischer Komplikationen schwerlich folgen. „Ich 
selbst werde, was auch kommen mag, Deutschland treu bleiben, als alter 
Bonner Borusse, treu meinem Gelübde: ‚Borussia, dir gehör’ ich, ob 
Jüngling oder Greis, zu deiner Fahne schwör’ ich, der Fahne schwarz und 
weiß!‘ Aber ich werde, wenn es zum Klappen kommen sollte und die 
Peter Carp 
in Rom
	        
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