Der russische
Botschafter
Krupenski
126 EIN RUSSISCHER AUSTROPHOBE
Leitung des Dreibundes in Wien liegt, wie dies heute augenscheinlich der
Fall ist, allein stehen.“ Einige in der Nähe umhergehende englische oder
amerikanische Globetrotter sahen verwundert auf den heftig redenden und
gestikulierenden Mann mit dem weißen Schnauzbart und dem energischen
Gesicht.
Ich will schon jetzt erwähnen, daß mir, nachdem Rumänien drei Jahre
später von den Zentralmächten zu der Entente abgeschwenkt war, der
deutsche Gesandte in Bukarest, Herr von Waldthausen, ein verständiger
und redlicher Mann, erzählte: Im Winter 1913/14 habe ihm König Carol in
der bei ihm gewohnten höflichen Form, aber ernst und bestimmt gesagt, er
erhalte immer mehr den Eindruck, daß die Führung des Dreibundes nicht
mehr wie früher in Berlin, sondern in Wien liege. Das würde ihm im Falle
von Komplikationen den Anschluß an die Zentralmächte sehr erschweren.
Herr von Waldthausen hatte diese Äußerung des Königs von Rumänien
pflichtgemäß nach Berlin gemeldet, aber eine gereizte Antwort erhalten:
Die Führung des Dreibundes liege mehr denn je in deutschen Händen, und
zwar in bewährten und ausgezeichneten deutschen Händen; das habe er,
der Gesandte, dem König Carol hoffentlich sofort erwidert, andernfalls
möge er das Versäumte schleunig nachholen.
Vielleicht noch mehr als die Sorgen von Carp beeindruckte mich eine
Mitteilung des russischen Botschafters in Rom, meines alten Freundes
Anatole Krupenski. Der war, als ich zwanzig Jahre früher als Bot-
schafter in Rom gewirkt hatte, Erster Sekretär der dortigen russischen
Botschaft gewesen. Er war in der europäischen Diplomatie berühmt wegen
seiner Riesennase, seiner lauten Stimme und seiner stürmischen Be-
wegungen. Übrigens ein kreuzbraver Mann, ein echter Russe, durch und
durch ein Altrusse, aber wie die meisten seiner Gesinnungsgenossen zwar
antiösterreichisch, jedoch nicht antideutsch, und ohne besondere Sym-
pathie für den „faulen Westen“. Dieser Austrophobe war verheiratet mit
einer Österreicherin, einer übrigens liebenswürdigen und guten Frau, der
Tochter eines österreichischen Feldmarschalleutnants. Er hatte nicht ge-
ruht, bis sie zur orthodoxen Kirche übergetreten war. Der Übertritt hatte
sich nicht ohne Schwierigkeiten vollzogen. Bekanntlich müssen sich
Neophyten, mögen sie Katholiken oder Protestanten sein, bei der Aufnahme
in die orthodoxe Kirchengemeinschaft noch einmal taufen lassen. Ebenso
bekannt ist, daß bei der orthodoxen Taufe der Täufling dreimal nackt im
Taufbecken untergetaucht werden muß. Als einst diese Zeremonie bei der
eben geborenen Großfürstin Marie Nikolajewna vollzogen wurde, fragte ihr
strenger Vater, der Kaiser Nikolaus I., seinen Günstling, den Fürsten
Bariatinski, wie ihm die Taufe gefallen habe. Der Fürst erwiderte: „‚J’ai ete
ravi, surtout parceque j’ai eu le grand honneur de voir Son Altesse Imperiale,