Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

Der Botschafterin London Fürst Lichnowsky 
an den Reichskanzler von Bethmann Hollweg 
(Bericht mit Randbemerkungen Wilhelms II.) 
(Zu Seite 123) 
Kaiserlich 
Deutsche Botschaft London, den 3. Dezember 1912 
erwartet niemand 
die helfen den 
Galliern 
natürlich 
wird sich ändern! 
sie werden es doch 
müssen 
das ist eigentlich 
eine versteckte 
Drohung oder 
Kampfansage! 
Lord Huldane besuchte mich heute, um mit mir die 
politische Lage zu besprechen. Während der längeren Unter- 
redung betonte er wiederholt die Notwendigkeit, in der 
orientalischen Krisis zu einem Ausgleich der Gegensätze zu 
gelangen, da es unabsehbar sei, welche Folgen eine kriege- 
rische Verwickelung, in die eine oder mehrere der Groß- 
mächte hineingezogen würden, haben könnte. England sei 
unbedingt friedlich und kein Mensch wolle hier den Krieg, 
schon aus wirtschaftlichen Gründen. Aber bei einem all- 
gemeinen europäischen Wirrwarr, der sich doch aus dem 
Einmarsch Österreichs in Serbien ergeben könnte, falls 
Serbien nicht gutwillig die besetzte Adriaküste räumte, sei 
es kaum wahrscheinlich, daß Großbritannien werde der 
stille Zuschauer bleiben können. 
Ich entgegnete, ich wolle nicht die Frage an ihn richten, 
ob das so viel hieße, als ob England alsdann gegen uns 
| feindlich vorgehen würde. Er erwiderte, daß das gewiß nicht 
die notwendige, wohl aber die mögliche Folge eines Krieges 
sein würde zwischen beiden kontinentalen Gruppen. Die 
Wurzeln, so drückte er sich aus, der englischen Politik lägen 
in der hier allgemein verbreiteten Empfindung, daß das 
Gleichgewicht der Gruppen einigermaßen aufrecht zu er- 
halten sei. England würde daher unter keinen Umständen 
  
  
  
  
  
eine Niederwerfung der Franzosen dulden können, die er, 
ein großer Bewunderer unseres Heerwesens und unserer 
militärischen Einrichtungen, mit einiger Sicherheit voraus- 
sieht. England könne und wolle sich nicht nachher einer 
einheitlichen kontinentalen Gruppe unter Führung einer 
einzigen Macht gegenübersehen. 
  
  
  
 
	        
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