EIN KOLLEG 133
Selbstverwaltung, Freiherr v. Stengel, Professor an der Universität
München, über Völkerrecht, General v. Bernhardi, einer unserer be-
deutendsten Offiziere, über Hcereswesen, der frühere Staatssekretär des
Reichskolonialamts Herr v. Lindequist, ein bewährter Kolonialpolitiker,
über unsere Kolonien. Adolf Wagner hatte sich die Wirtschafts-, Sozial-
und Finanz-Politik in ihren Zusammenhängen reserviert. Die land-
wirtschaftlichen Verhältnisse wollten der besonnene und maßvolle Präsident
des Deutschen Landwirtschaftsrats, Graf v. Schwerin-Löwitz, und der
stürmischere, bier und da hitzige, aber tüchtige und sehr begabte Freiherr
von Wangenheim auf Klein-Spiegel, der Vorsitzende des Bundes der Land-
wirte, beleuchten. Dem GcheimratWitting, Präsidenten des Aufsichtsrats der
Berliner Nationalbank und früherem Oberbürgermeister von Posen, war die
Schilderung des Bankwesens zugewiesen, Professor Zorn die Schilderung
der Verhältnisse zwischen Staat und Kirche. Der Hauptpastor an St. Mi-
chaelis in Hamburg, Prof. DDr. Hunzinger, ein großer Kanzelredner und
hervorragender Theologe, wollte sich speziell mit den evangelischen
Kirchenverhältnissen befassen, der treffliche Theologe Dr. Merkle, Pro-
fessor in Würzburg, mit den katholischen. Ulrich von Wilamowitz-
Möllendorf, der Schwiegersohn von Theodor Mommsen, seit dessen Tod der
größte lebende deutsche Gelehrte, sollte über Altertumswissenschaft
schreiben, der Freiburger Professor Below über Geschichte, Professor
Theobald Ziegler über öffentliches Leben. Ich war gebeten worden, als
Einleitung für dieses Buch etwas über deutsche Politik zu sagen. „Sie sollen
uns ein Kolleg über deutsche Politik halten!“ sagte mir einer der Mit-
arbeiter an diesem Werke, der mein Kollege im Herrenhaus war.
Ich war mir natürlich von vornherein über die Grenzen klar, die ich
meinem Beitrag ziehen mußte. Es wäre geschmacklos gewesen, wenn ich
diesen Anlaß benutzt hätte, um an der Politik meines Nachfolgers die Kritik
zu üben, zu der sie nur allzu reichlichen Anlaß bot. Es wäre unpatriotisch
gewesen, wenn ich, ein gewesener Reichskanzler, vor dem mißgünstigen
Ausland mit dem Finger auf unsere Schwächen und Mängel hingewiesen
hätte, Ich durfte es nicht machen wie Ham, der unartige Sohn des Erzvaters
Noah. Meine 1913 für das Hobbingsche Sammelwerk geschriebene Ein-
leitung durfte nicht das Selbstvertrauen der Nation erschüttern. Noch
weniger durfte ich das Ausland mißtrauisch gegen uns machen. Ich habe
soeben ausgeführt, daß im alten Deutschland ein zurückgetretener Minister
von aktiver Teilnahme an der Politik, wenigstens von öffentlicher Teil-
nahme, so gut wie ausgeschaltet war. Das hatte der größte aller deutschen
Staatsmänner, Fürst Bismarck, erfahren; das sollte selbst nach dem
Umsturz und unter der Republik ein tüchtiger Mann wie Posadowsky
erfahren. Der grollende Donner des zürnenden Titanen in Friedrichsruh,