Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

138 FRANZ FERDINANDS BEISETZUNG 
und beweine er das Schicksal des Erherzogs und seiner edlen Gemahlin, 
politisch sche er in dem Ausscheiden des Thronerben „eine gnädige Tügung 
der göttlichen Vorsehung“. Der leidenschaftliche Charakter des Erzherzogs, 
sein Haß gegen die Magyaren, seine blinde Vorliebe für Tschechen und 
Südslawen, sein outrierter Klerikalismus hätten zu schweren Erschütte- 
rungen, vielleicht zum Bürgerkrieg führen können. Nach außen würde er 
mit seinem Fanatismus, seinem Jähzorn und seinem Starrsinn für Deutsch- 
land kein bequemer Bundesgenosse geworden sein. „Requiescat in pace!“ 
schloß der k. und k. Botschafter in salbungsvollem Ton. Aus Kiel hörte ich, 
Kaiser Wilhelm habe die Trauerkunde erhalten, während er in der Kieler 
Bucht auf dem „Meteor“ segelte. Er sei zuerst sehr bestürzt gewesen, da er 
noch kurz zuvor bei dem Erzherzog in Konopischt geweilt, sich mit ihm 
der weltberühmten Rosenpracht des Schloßparkes erfreut und nach seiner 
Art mit dem künftigen Kaiser von Österreich mancherlei Zukunftspläne 
besprochen, erwogen und geschmiedet hatte. Kaiser Wilhelm habe sich 
aber bald beruhigt, und es war sogar seiner Umgebung nicht ganz leicht 
geworden, ihn zum Aufgeben der Segelwettfahrt zu bewegen, zumal er 
gute Chancen hatte, den von ihm selbst ausgesetzten schönen Preis zu 
gewinnen. 
Alle Nachrichten aus Wien stimmten darin überein, daß die tiefe Ab- 
neigung des Kaisers Franz Josef gegen seinen Neffen und Erben bei dessen 
traurigem Ende in fast grausamer Weise zutage getreten war. Mit der Härte, 
zu der sich der Charakter alter Leute, die viel durchgemacht haben, bis- 
weilen zu entwickeln pflegt, hatte der Kaiser nichts unterlassen, was das 
Andenken des Erzherzogs und insbesondere seiner dem alten Herrn ver- 
haßten morganatischen Gemahlin herabsetzen konnte. Während der Sarg 
des Erzherzogs auf einem prunkvollen Wagen mit goldenen Rädern, ge- 
schmückt mit der erzherzoglichen Krone, zu der Trauerfeier gefahren wurde, 
folgte der bescheidene Sarg seiner Gattin, nur mit einem winzigen Krönlein 
geziert, auf einem niedrigen und unanschnlichen Karren. Der Erzherzog, 
der wußte, daß sein greiser Oheim die Beisetzung der Herzogin von 
Hohenberg in der Erbgruft der Habsburger in der Wiener Kapuzinerkirche 
nicht zulassen würde, hatte schon bald nach seiner Vermählung eine 
Kapelle an der Donau erbaut, wenige Stunden von Wien entfernt, wo er 
neben der Frau, die er so sehr liebte, begraben werden wollte. Die Bei- 
setzung mußte auf kaiserlichen Befehl in der Nacht erfolgen. Sie ging bei 
strömendem Regen vor sich und bot ein Schauspiel, das an die drama- 
tischsten Szenen aus den Shakespeareschen Königstragödien erinnert. 
Wenn auch das abscheuliche Attentat von Mitgliedern einer großen 
serbischen Geheimverbindung ausgeführt worden war, so sprach doch auch 
manches dafür, daß die serbische Regierung die Untat weder angestiftet
	        
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