Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

144 DER PLATZ IN DER WELT 
Volk zu richten. In meiner Kundgebung vom 6. August 1914 sagte ich: 
„Am ersten April 1885, am 70. Geburtstage des Fürsten Bismarck, hörte 
ich, wie der gewaltige Kanzler zu seinem Sohne Herbert sagte: ‚Die großen 
Erfolge meines Lebens verdanke ich im Grunde dem, daß ich mich immer 
an den Vers gehalten habe: 
„Und setzet ihr nicht das Leben ein, 
Nie wird euch das Leben gewonnen sein.“ 
Diese Worte des Schillerschen Reiterliedes gelten in diesem Augenblick 
für jeden Deutschen, sie gelten für die ganze Nation. Heute geht es um 
Haus und Hof, um Gegenwart und Zukunft, um die materiellen und um 
die viel kostbareren ideellen Güter. Es geht um alles: um die Früchte von 
1870, um das, was unsere Väter vor hundert Jahren erkämpften, es geht 
nicht nur um das junge Reich, unter dessen Schutz wir seit dreiundvierzig 
Jahren leben, es geht auch um das alte Preußen, für das der große König 
sieben Jahre im Felde stand, es geht um die ganze ruhmvolle deutsche Ver- 
gangenheit bis in die fernsten Tage unserer zweitausendjährigen Geschichte. 
Für das alles kämpfen wir heute. Es kann nicht sein und wird nicht sein, 
daß soviel Heldenkraft und Opfermut, soviel Wille und Geist, wie sie aus 
unserer Geschichte sprechen, umsonst aufgewandt sein sollen. Nicht ver- 
geblich haben große und edle Geister für uns gedacht und gekämpft, ge- 
arbeitet und gelitten. Hcer und Flotte werden sich schlagen, wie sich seit 
den Tagen des Cheruskers bis Leuthen, Leipzig und Sedan der Deutsche 
immer und überall geschlagen hat. Die Nation muß mit unbeugsamem 
Willen, unerschütterlich und geschlossen, ruhig und mutig hinter unserer 
Wehrmacht stehen. Wir sind im Recht, wie wir es 1870 waren. Damals galt 
es, dem deutschen Volke die Freiheit zu erstreiten, sich sein Haus nach 
seinem eigenen Ermessen und Gutdünken zu bauen, statt sich die Ein- 
richtung von Fremden vorschreiben zu lassen, wie im Westfälischen Frie- 
den, auf dem Rastatter und Wiener Kongreß. Jetzt handelt es sich darum, 
den Platz in der Welt zu behaupten, auf den das deutsche Volk nach seiner 
Gesittung und Begabung, nach seiner Arbeitskraft und nach seinen Lei- 
stungen für die Menschheit einen Anspruch hat, den Platz, den man uns 
nicht gönnt und bestreiten will. Je mehr Feinde uns umgeben, je wider- 
wärtiger Ungerechtigkeit, Haß und vor allem Neid emporzüngeln und sich 
gegen uns wenden, um so fester sei unser Mut. Denken wir an die erhabene 
Gestalt unseres alten Kaisers, blicken wir auf Bismarck, wie er, die Hände 
um den Griff des Schwertes gelegt, über dem Hamburger Hafen steht. Er- 
innern wir uns an alles, was die Propheten und Herolde der nationalen Idee 
von Körner, Arndt und Fichte bis zu Treitschke uns gelehrt und ver- 
kündigt haben. Denken wir an das Ziel, das wir erreichen müssen: einen
	        
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