Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

160 DAS GREMIUM 
und einer Tochter des fernen Guatemala, wagte während der Ultimatums- 
Krisis überhaupt nicht, eine eigene Meinung zu äußern. Er hat an ein- 
Qußreicher Stelle im Hochsommer 1914 nichts verhindert und wollte auch 
gar nichts verhindern, da es ihm darauf ankam, an keiner Stelle anzustoßen, 
Es ist ihm in der Tat gelungen, sich während des Weltkrieges nicht nur 
bei seinen verschiedenen Vorgesetzten, sondern, was für ihn viel wichtiger 
war, bei dem Abgeordneten Erzberger zu empfehlen. Als im Laufe des 
Krieges die Macht des Buttenhausers immer höher stieg, erschien dieser 
fast täglich auf dem Auswärtigen Amt und verlangte die Ein- und 
Ausgänge zu lesen. Da selbst der schwache Bethmann dem indiskreten, 
oft völlig hemmungslosen Matthias Erzberger, der noch dazu alles, was er 
hörte und erfuhr, dem Nunzius in München schrieb, nicht sämtliche Arcana 
imperü zugänglich machen wollte, wurde der Geheime Legationsrat von 
Bergen für die Aufgabe bestimmt, Erzberger zu empfangen, ihm möglichst 
wenig zu zeigen, aber dafür sein Geschwätz und seine Kannegießereien 
während ein bis zwei Stunden zu ertragen. Bergen benutzte die auf diese 
Weise mit Erzberger gewonnene Fühlung dazu, durch seinen bei allen 
Fehlern im Grunde gutmütigen Protektor den Gesandtenposten beim Päpst- 
lichen Stuhle zu erreichen. 
So war das Gremium beschaffen, das das Deutsche Reich und das 
deutsche Volk in den Weltkrieg hineinführte. Der größte Fehler dieser 
blinden Leiter unseres Schicksals war, daß sie, wie ich schon hervorhob, 
niemanden zu Rate zogen, niemandem einen Blick in ihre Absichten, in 
ihre verfehblten Schachzüge gestatteten. Ich zweifle keinen Augenblick 
daran, daß, wenn nach dem Attentat von Sarajewo Bethmann Hollweg 
und seine Mitarbeiter den damaligen Gesandten beim Päpstlichen Stuhle 
und langjährigen Unterstaatssekretär Mühlberg oder den Botschafter in 
Washington, Bernstorfi, oder den Grafen Brockdorff-Rantzau, oder Rosen 
oder Mumm, oder den erfahrenen, speziell in allem, was England betraf, 
sehr erfahrenen, die englische Politik ruhig und nüchtern beurteilenden 
Grafen Paul Metternich um Rat gefragt hätten, alle diese Herren Bethmann 
und Konsorten in den Arm gefallen wären, ilınen Vernunft gepredigt haben 
würden. Wenn ich, der ich seit meinem Rücktritt, seit fünf Jahren, durch 
Bethmann Hollweg politisch ganz ausgeschaltet war und mich daher im 
Unglückssommer 1914 in völliger Unkenntnis seiner Absichten und Pläne 
befand, um meine Meinung gefragt worden wäre, so würde ich zunächst 
festgestellt haben, ob man in Berlin wirklich einen prophylaktischen Krieg 
wolle. 
Wäre diese meine Frage bejaht worden, so würde ich auf den 
monumentalen Erlaß hingewiesen haben, den am 16. Februar 1887 der 
Staatssekretär Graf Bismarck im Auftrage des Reichskanzlers an den
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.