Die
U-Boot-Waffe
182 DAVID UND GOLIATII
diese Auffassung für grundfalsch. Ich glaube nicht an die zwangsläufige
Entwicklung. Ich halte es mit Napoleon, der einem geschlagenen Unter-
befehlshaber erwiderte, der sich mit der „fatalite‘“ entschuldigte: „La
fatalite, l’excuse des incapables et des maladroits.“ Wir konnten mit einer
ruhigen und gewandten Hand 191% ebensogut den Frieden wahren, wie wir
ihn 1888, 1905 und 1909 erhalten hatten. Jedenfalls brauchte sich das
Deutsche Reich nicht unter einer derartig ungünstigen Konstellation, in so
ungeschickter Weise, am Wiener Gängelband in diesen furchtbaren Krieg
verstricken zu lassen.
Es ist begreiflich, daß ich, der ich an dem Ausbau unserer Flotte einen
großen Anteil gehabt habe, ihrer Betätigung im Kriege mit Spannung, mit
hohen Erwartungen entgegensah. Die Tüchtigkeit unserer Matrosen, die
Intelligenz und der glänzende Geist unserer Seeoffiziere, die Stimmung in
der Heimat, die mit vollem Vertrauen auf unsere blauen Jungen blickte,
berechtigten zu stolzen Hoffnungen. Ich war, wie ich schon ausgeführt
habe und wie ziemlich allgemein bekannt ist, bei aller Hochachtung für die
ungewöhnliche Persönlichkeit des Großadmirals von Tirpitz, sein
Organisationstalent und seine Tatkraft doch seit dem Beginn des metho-
dischen Ausbaus der Flotte, der mit der Ernennung von Tirpitz zum
Staatssekretär des Reichsmarineamtes und meiner Ernennung zum Staats-
sekretär des Auswärtigen Amts zusammenfällt, nicht ganz damit ein-
verstanden, daß Tirpitz das Hauptgewicht gar so sehr auf den Bau großer
Kampfschifle legte. Ich hätte es lieber gesehen, wenn Tirpitz, dem ihm vom
greisen Bismarck erteilten Rat folgend, mehr Kreuzer auf Kiel gelegt, wenn
er später, als die neue Waffe aufkam, rechtzeitig und in möglichst großer
Zahl U-Boote gebaut, wenn er eifriger für Flugzeuge gesorgt hätte. Laie
auf diesem Gebiet und weit entfernt, in eine mir fernliegende Materie
dilettantisch einzugreifen, hatte ich doch das instinktive Gefühl, daß wir
mit einem forcierten Bau von Groß- und Schlachtschiffen die Engländer
immer mißtrauischer machten, sie schwer reizten, ohne sie doch überflügeln
zu können. Das U-Boot erschien meinem Laienverstand als die Schleuder,
mit welcher der kleine David, wenn ihm Wagemut und Glück nicht fehlen,
den großen Goliath bezwingt. Nach dem Ende des Weltkrieges schrieb der
englische Admiral Scott: „Wenn Kaiser Wilhelm im Herbst 191% den
Vorschlag, England durch U-Boote zu blockieren, angenommen hätte, so
würde damals eine solche Blockade in kürzester Zeit den Zusammenbruch
herbeigeführt haben.‘‘ Und als im Dezember 1914 der Kaiser den Admiral
Ingenohl, der unter sehr günstigen Gefechtsbedingungen den Kampf mit
einem englischen Geschwader aufnehmen wollte, zwang, abzudrehen und
nach Wilhelmshaven zurückzukehren, schrieb Admiral Scheer, der spätere
Sieger von Skagerrak: „Der Eindruck, eine selten günstige Gelegenheit