GEMISCHTE EMPFINDUNGEN 195
im Falle Ihrer Annahme Ihnen dankbar sein, wenn Sie zu einer persönlichen
Rücksprache während meines kurzen hiesigen Aufenthaltes nach Berlin
kommen würden. Da ich während der nächsten zwei Tage fast ganz «durch
den Reichstag in Anspruch genommen bin, darf ich mir einen Vorschlag
über den Tag unserer Besprechung noch vorbehalten. Heute möchte ich nur
eines hervorheben: Es ist bereits der Gedanke aufgetaucht, den Krieg durch
eine Konferenz zu beenden. Sowohl uns wie unseren österreichischen Ver-
bündeten wäre hiermit, wie Sie selbst am besten erkennen werden, wenig
gedient. Es wird Ihnen jedenfalls ein leichtes sein, dem Konferenzgedanken,
wenn er in Rom Fuß fassen sollte, a limine vorzubeugen. Aber auch hierfür
möchte ich mir noch mündlichen Gedankenaustausch vorbehalten. In der
aufrichtigen Hoffnung, verehrter Fürst, daß Sie mich keine Fehlbitte tun
lassen, sondern bereit sind, dem Vaterland in schwerer Zeit einen großen
Dienst zu leisten, bin ich in alter Verehrung Euer Durchlaucht stets er-
gebenster von Bethmann Hollweg.“
Ich las diese gewundenen und unaufrichtigen Ausführungen meines
Nachfolgers mit gemischten Empfindungen. Zu deutlich sprach für den,
der zwischen den Zeilen zu lesen verstand, aus diesem Brief, wie ungern der
Kanzler mich nach Rom schickte, wie er vor allem bestrebt war, den Busen-
freund des Staatssekretärs Jagow, den von ihm selbst huchgeschätzten
bisherigen Botschafter Flotow zu schonen. Ich sah voraus, daß bei solcher
Stimmung der Berliner Zentrale ich in Rom einen schweren Stand haben
würde. Nichtsdestoweniger zögerte ich keinen Augenblick, mich zur Ver-
fügung zu stellen. Mehr als das. Auch meinen guten Namen, wie der mir
wohlgesinnte König Ludwig III. von Bayern damals zum Grafen Hertling
sagte. Ich gedachte anfänglich, Bethmann bei Annahme der Mission schrift-
lich darüber aufzuklären, daß ich mir der Schwierigkeit der Situation in
Rom wie der Undaukbarkeit meiner Aufgabe klar bewußt sei.
Mein für den Kanzler bestimmter Brief lautete: „Selbstverständlich folge
ich dem an mich gerichteten Ruf, die Leitung der Botschaft in Rom zu
übernehmen. Daß ich schon vor einundzwanzig Jahren in Rom als Bot-
schafter wirkte, seitdem während zwölf Jahren unsere auswärtige Pulitik
leitete und neun Jahre Reichskanzler war, fällt für mich in keiner Weise
ins Gewicht. Persönliche Empfindlichkeit, Eitelkeit und Ambitionen liegen
mir fern. Ich zögere um so weniger, als nach allem, was ich aus Italien, und
zwar von sicherer Seite, höre, wir dort in den letzten zwei Jahren sehr an
Boden verloren haben. Die Wahl von Flotow war keine glückliche. Ich
darf dies um so offener aussprechen, als ich und meine Frau uns bemüht
haben, ihm eine freundliche Aufnahme in Rom zu bereiten und seine Auf-
gabe zu erleichtern. Er hat es nicht verstanden, die wünschenswerten Ver-
bindungen anzuknüpfen, Einfluß zu gewinnen und sich eine Stellung zu
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Antwort
Bülows