Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

Bülow an 
Ballin 
198 DIE BERLINER ZENTRALE 
Intrigen erreicht, daß er nach Rom geschickt wird. Aber Kanzler und 
Staatssekretär haben nur ungern dem unvernünftigen Drängen urteilsloser 
Parlamentarier und Journalisten nachgegeben. Als Ihr Freund mache ich Sie 
darauf aufmerksam, daß die Berliner Zentrale ein Erfolg des Fürsten Bülow 
nicht gerade beglücken würde.“ Als Hindenburg erstaunt und betreten 
erwiderte, er wisse nicht, wie er diese Äußerung verstehen solle, es sci doch 
seine Pflicht, Amts- und Anstandspflicht, auch seinen neuen Chef zu unter- 
stützen, meinte Flotow lächelnd: „Sie wollen mich nicht verstehen, lieber 
Hindenburg! Ich kenne die Welt und spreche als Ihr väterlicher Freund. 
Surtout pas trop de zele im Dienste des Fürsten Bülow! Es würde dies nicht 
gerade für Ihre Karriere förderlich sein.“ Den Italienern sagte Flotow, ich 
hätte mich in Berlin anheischig gemacht, Italien nicht nur neutral zu er- 
halten, sondern an unserer Seite in den Krieg gegen Frankreich und Eng- 
land zu treiben, d. h. zu einer Aktion, von der nach der Marne-Schlacht 
nicht mehr die Rede sein konnte, an die in Italien niemand mehr dachte. 
Es handelte sich, als ich nach Rom geschickt wurde, nur noch um das 
Dilemma: Fortsetzung der italienischen Neutralität oder kriegerisches Vor- 
gehen der Italiener gegen Österreich. 
Bevor ich mich von Hamburg, wo mich die Aufforderung des Kanzlers 
Bethmann erreicht hatte, nach Berlin begab, richtete ich an meinen Freund 
Albert Ballin einen vertraulichen Brief, in dem ich der Überzeugung Aus- 
druck gab, daß, wenn man mich nach Rom schicken wollte, dies in würdiger 
Form schon im August hätte geschehen sollen. Seither sei dort viel Terrain 
verlorengegangen. Man würde mich wohl auch nicht ohne Nutzen in der 
Zeit zwischen dem Ultimatum an Serbien und unserer Kriegserklärung an 
Rußland befragt haben, wie man die Sache fingern müsse, um Italien mit- 
zubekommen. Es würde überhaupt nicht geschadet haben, wenn man mich 
zu jener Zeit über die Gesamtlage befragt hätte. Ich würde dann den Finger 
auf die Punkte gelegt haben, die im Ultimatum zu modifizieren waren, 
wenn wir — natürlich in allen Ehren! — um einen so furchtbaren Krieg 
herumkommen wollten, und ich hätte auch die Wege angegeben, wie wir 
selbst nach Überreichung dieses Ultimatums ohne Einbuße an Prestige für 
uns oder für Österreich und sogar mit einem diplomatischen Erfolg (wie 
1908/09) den Frieden erhalten konnten. Einen praktischen Erfolg ver- 
sprach ich mir nicht von diesem Brief, aber ich hatte das Bedürfnis, mir 
Gedanken und Sorgen, die mich während Monaten gequält hatten, einmal 
vom Herzen zu schreiben. 
Albert Ballin, obschon von Hause aus eine optimistische Natur, neigte 
seit Ausbruch des Krieges zu einer pessimistischen Beurteilung unserer 
Lage. Er hatte mir vor Antritt meiner Mission geschrieben: „Ich war beim 
Kaiser und fand ihn zuversichtlich, aber von Zorn erfüllt gegen England,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.