202 DIE LUFT DER INTRIGE
nach Berlin: „Darf ich meiner aufrichtigen Freude Ausdruck geben, daß
Ihre Mitarbeit in dieser ernsten und schweren Zeit wiederum für die Wah-
rung unserer vaterländischen Interessen in Aussicht steht.“ Ernst
Bassermann telegraphierte: „Mit freudiger Genugtuung begrüße ich mit
allen meinen Freunden, daß Euer Durchlaucht sich erneut an wichtigster
Stelle in den Dienst des Reichs stellen.“ Bald nachher schrieb er mir:
„Meiner großen Freude, daß Sie sich entschlossen haben, Rom anzunehmen,
muß ich nochmals Ausdruck geben. Italien: das ist und bleibt eine Gefahr,
und wenn jemand dort für uns Gutes wirken kann, sind Sie es. Daß Beth-
mann die geeignete Persönlichkeit für einen Frieden großen Stils ist, be-
zweifelt das Volk. Einstweilen stecken wir im Westen in Wasser und Sumpf
und kommen nicht weiter. Im Westen fehlt die einheitliche, zielbewußte
Führung, das ist mein Eindruck aus vielen Besprechungen. Moltke schied
in Uneinigkeit mit S. M.; Falkenhayn ist nicht aus der obersten General-
stabskarriere hervorgegangen, entbehrt der nötigen Autorität, vielleicht
auch der Begabung großen Stils. Daneben gehen im Großen Hauptquartier
viel Intrigen hin und her. So erfährt man viel Unerfreuliches. Statt an
das große Ziel zu denken, wie es unser Volk in rührender Aufopferung tut,
ringt man um persönlichen Einfluß. Ich will das Thema nicht vertiefen, da
Euer Durchlaucht diese Luft der Intrige leider aus eigener Erfahrung
genügend kennen.‘ Meine Jugendgespielin, die Gräfin Christa Eickstedt,
die langjährige Freundin des Bismarckschen Hauses, die am Sterbebette
des großen Fürsten gestanden hatte, schrieb mir: „Lieber Fürst Bernhard,
eben erfahre ich, daß Sie noch einige Tage in Berlin sind, da kann ich’s
nicht lassen, Ihnen meine innigsten und treuesten Segenswünsche zu senden
für alles, was Sie jenseits der Alpen im Dienst unseres geliebten Vater-
landes tun werden. Ich habe mich unbeschreiblich gefreut über Ihre An-
nahme dieser Mission, und ich glaube, Ihr großer Freund und Vorgänger,
der Fürst Bismarck, würde diese Freude teilen — sein Segen möge Sie
geleiten — einen besseren Wunsch wüßte ich Ihnen nicht mitzugeben.
Ihnen und der Fürstin sendet die herzlichsten Grüße Ihre alte getreue
Freundin aus der Kinderzeit Christa Eickstedt.‘“ Hocherfreut, daß ich mich
bereit erklärt hätte, die Leitung der römischen Botschaft zu übernehmen,
trotz aller Schwierigkeiten und der zu erwartenden Intrigen, schrieben mir
Schwerin-Löwitz und Clemens Schorlemer. Die Witwe des Reichstags-
präsidenten Udo Stolberg gab in einem Brief an meine Frau ihrer dank-
baren Freude darüber Ausdruck, daß ich trotz aller Ränke und Widerwärtig-
keiten, auf die sie nicht näher eingehen wolle, dieses großes Opfer gebracht
hätte. „In dieser großen Zeit bringt jeder gern ein Opfer.‘ Natürlich fehlte
der Hoftheologe Adulph Harnack nicht mit einem begeisterten Glück-
wunsch „aus frceudigem Herzen“ und in der Hoffnung, daß mir seinerzeit