Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

„WAS DANN?" 9 
und in einer der schwierigsten Situationen, in die ein kaiserlicher Vertreter 
geraten konnte, Charakter wie Takt an den Tag legen. Zum Minister des 
Äußern eignete sich Rosen nicht allein durch glänzende Beherrschung des 
Französischen wie des Englischen, sondern auch durch weltmännische 
Formen und Erfahrungen. In einem Kabinett Wirth konnte sich Friedrich 
Rosen gegenüber dem damaligen Reichskanzler nicht lange behaupten, 
als er im Mai 1921 Reichsminister des Äußern wurde. Die ersten Vier- 
zciler des Omar Kajjam, auf die ich bei meiner Meeresfahrt stieß, lauteten: 
Und lebtest du dreihundert Jahr und drüber noch hinaus, 
Aus dieser Karawanserei mußt du einst doch hinaus. 
Ob du ein stolzer König warst oder ob bettelarım, 
Das kommt an jenem letzten Tag aufs selbe doch hinaus. 
Nimm an, dein Leben sei ganz nach Wunsch gewesen — was dann? 
Und wenn das Lebensbuch nun ausgelesen — was dann? 
Nimm an, du lebtest in Freuden hundert Jahr — 
Nimm meinethalb an, es seien zweihundert gewesen — was dann? 
Es war dieselbe ewige Weisheit, die Bismarck als Bundestagsgesandter 
in einem Brief, den er an seine Johanna richtete, um sie über einen widrigen 
Zwischenfall zu beruhigen, in die Worte kleidete: „Nach neun Uhr ist alles 
aus.“ 
Wir trafen am Nachmittag des 21. Juli bei strahlendem Sonnenschein 
in Norderney ein. Die ganze Insel war auf den Beinen, Einheimische und 
Kurgäste begrüßten uns am Landungssteg. Der Bürgermeister hielt eine 
gutgemeinte Rede. Ich hatte mir beim Scheiden aus dem Amt gelobt, keine 
Reden mehr zu halten, da ich während zwölf Jahren mich in dieser Be- 
ziehung nur zu reichlich verausgabt hatte: 
Weil viel Reden ungesund, 
Gab Natur uns einen Mund. 
Mit dem einen Maule schon 
Schwatzt zu viel der Erdensohn. 
Aber die schlichten Worte des wackeren Ortsvorstehers und die herzliche 
Begrüßung von seiten der biederen Fischer und Schiffer rührten meine Frau 
und mich, so daß ich meinem Gelübde untreu wurde. Nachdem ich dem 
Bürgermeister für seine Worte und den Insulanern für den mir bereiteten 
Empfang gedankt hatte, führte ich in einer improvisierten Antwort etwa 
folgendes aus: Ich bezöge die Kundgebung der mich Begrüßenden nicht auf 
mich, sondern auf den nationalen Gedanken, dem ich nach bestem Wissen 
und Gewissen gedient hätte. Der nationale Gedanke verkörpere sich für 
uns in dem Hause der Hohenzollern, das dem deutschen Volke die Wege
	        
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