Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

Zuschriften 
und Adressen 
10 FLUT UND EBBE 
gewiesen habe, vom Großen Kurfürsten bis zum Großen König, unter dessen 
Szepter einst ja auch Norderney gestanden habe, und von dem großen 
König bis zu unserem guten alten Kaiser. Im Dienste des nationalen Ge- 
dankens stünde auch unser jetzt regierender Kaiser mitseinem edlen Herzen, 
seinem auf das Beste gerichteten Wollen. „Solange Kaiser und Nation 
einig sind, können wir getrost in die Zukunft blicken.“ Wenn mir anläßlich 
meines Rücktritts in Norderney wie anderswo ein wohlwollendes Abgangs- 
zeugnis ausgestellt worden sei, so glaubte ich dies darauf zurückführen 
zu dürfen, daß ich nie einen anderen Leitstern gekannt hätte als das Wohl 
des Landes, das Staatswohl und das Wohl der Dynastie, die unauflöslich 
miteinander verknüpft seien. Denn was nützlich und notwendig sei für 
die Nation, das fromme auch dem wahren Wohl der Krone. Ich war bei 
diesen Worten, wie vorher bei meiner Unterredung mit Felix von Eckardt, 
von dem Wunsch geleitet, nach Möglichkeit der Gefahr vorzubeugen, daß 
mein Rücktritt auf Seine Majestät zurückgeführt würde, was nach Lage der 
Dinge im Hinblick auf die Novemberereignisse und manches, was diesen 
vorhergegangen war, dem Träger der Krone und dem monarchischen 
System in der öffentlichen Meinung nur schaden konnte. 
In Norderney fand ich eine Fülle von Zuschriften und Adressen, deren 
Beantwortung während einiger Wochen meine Vormittage in Anspruch 
nahm. Um so größer war das Behagen, mit dem ich nachmittags auf meinen 
Pferden, die ich nach Norderney vorausgeschickt hatte, am Strande galop- 
pierte, dabei auf die Wogen blickte und mir angesichts der ewigen Flut und 
Ebbe den Wechsel im menschlichen Dasein wie im Dasein der Völker durch 
den Sinn gehen ließ. Wenn ich einige der Zuschriften und Adressen wieder- 
gebe, die mir bei meinem Rücktritt zugingen, so geschicht dies nicht aus 
Eitelkeit oder Rechthaberei, über die ein normaler Mensch weg ist, wenn 
ersich dem Alter des Psalmisten nähert und die Wahrheit des salomonischen 
„Vanitas! Vanitatum Vanitas!“ oft in der Praxis erprobt hat. Ich will 
aber feststellen, daß viele Patrioten, viele Gebildete aus allen Kreisen bei 
meinem Abgang mein politisches Wirken richtiger einschätzten, daß sie 
weiter sahen als die kurzsichtigen Führer der Konservativen, klarer als die 
gehässigen Treiber im Zentrum, und daß sie sich nicht mit dem gerade in 
Deutschland nicht seltenen kleinlichen und blinden Fraktionsstandpunkt, 
dem Parteiinteresse sans phrase, identifizierten*. 
* Diese Zuschriften und Adressen werden im Anhang dieses Bandes abgedruckt.
	        
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