Bülow bei
Sonnino
XVII KAPITEL
Sidney Sonnino, italienischer Minister des Äußern » Propaganda der Entente in Italien
Ausbeutung der Invasion Belgiens von seiten der Entente « König Vittorio Emanuele III
Königin Margherita, vertrauliche Äußerungen der Königin-Mutter zur Fürstin Bülow
Botschaftsrat von Hindenburg + Giolittis „Parecchio‘“‘ + Papst Benedikt » Klägliche
politische Zügelführung in Berlin » Brief Bethmanns an Bülow - Flotow taucht wieder
in Rom auf - Abschiedsaudienz Bülows beim König Viktor Emanuel III. » Erzbergers
Optimismus
m Tage nach meiner Ankunft in Rom suchte ich den Minister des
Äußern, Sidney Sonnino, in der Consulta auf. Dieser herrliche Palast,
dessen einfache, große und schöne Formen so wohl zu dem Charakter der
Ewigen Stadt passen, beherbergte damals das italienische Auswärtige Amt,
das erst nach dem Weltkrieg in den am Corso gelegenen Palazzo Chigi
übersiedelte, den früheren Sitz der Vertretung des inzwischen zertrümmerten
habsburgischen Reichs. Oft war ich die zweiarmige Doppeltreppe der
Consulta emporgestiegen. In dem großen, mit gelbem Damast tapezierten
Empfangszimmer hatte ich als junger Attache im Winter 1874/75 Visconti-
Venosta thronen sehen, der sich aus einem Sekretär des Verschwörers und
revolutionären Agitators Mazzini in einen politisch ausgesprochen Kon-
servativen, religiös gut katholischen Staatsmann verwandelt hatte, später
erblickte ich dort den Grafen Robilant, den Sohn einer preußischen Mutter,
einer Gräfin Waldburg-Capustigall. Der hatte als junger piemontesischer
Offizier in der Schlacht von Novara am 23. März 1849 einen Arm verloren
und den blutigen Stumpf emporgehoben mit dem Rufe: „Viva il Re!“ Er
wurde in den achtziger Jahren italienischer Botschafter in Wien, wo er eine
Österreicherin, eine Tochter des Fürsten Clary, heiratete. Während meiner
ersten Botschafterzeit in Rom, von 1894 bis 1897, konferierte ich in der
Consulta mit dem feurigen Baron Blanc, dem klugen Marchese Rudini und
wiederum mit dem inzwischen zweiundzwanzig Jahre älter und noch vor-
sichtiger und reservierter gewordenen Visconti-Venosta. Jetzt fand ich hier
Herrn Sidney Sonnino.
Als ich in das Wartezimmer des Ministers eintrat, von dem aus man
einen herrlichen Blick auf die Kolosse des Kastor und Pollux mit ihren
Pferden hat, ein Ausblick, nach dem sich Wilhelm von Humboldt noch in