Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

DIE BELGISCHE PROPAGANDA 223 
gewichts und die Hegemonie Frankreichs auf dem europäischen Kontinent 
wie im Mittelmeer und in Nordafrika bedeutet. Diese traurigen Folgen des 
Versailler Vertrages entsprechen nicht dem wohlverstandenen Interesse 
Italiens. Weder Crispi, noch Minghetti, noch Cavour würden von einem 
solchen Ergebnis nach den schweren von Italien gebrachten Blut- und 
Geldopfern befriedigt gewesen sein. 
Die Propaganda der Entente arbeitete gerade in Rom nicht nur mit 
Hochdruck, sondern auch mit Geschick. Ihre wirksamste Waffe war und 
blieb die Verletzung der belgischen Neutralität durch uns, unter, wie 
immer wieder hervorgehoben wurde, Nichtachtung und Bruch alter, 
feierlicher Verträge. Als ich bald nach meiner Ankunft in Rom über die 
Piazza di Spagna ging, bemerkte ich in dem Schaufenster einer Buch- 
handlung auf einem in Evidenz gestellten Karton mein Wappen. Die 
Aufschrift des Kartons in roten Lettern lautete: „Le chiffon de papier!“ 
Als ich näher zusah, handelte es sich um den Abdruck jenes Artikels des 
Londoner Protokolls von 1831, der die Unabhängigkeit und Neutralität 
von Belgien stabilierte. Das Abkommen war unterzeichnet von den 
damaligen Vertretern der Großmächte in London, deren Unterschriften 
und Wappensiegel folgten. Für Rußland hatte, wenn ich mich nicht irre, 
Pozzo di Borgo, für Frankreich Talleyrand, für Österreich Apponyi, für 
Großbritannien Palmerston und für Preußen mein Großonkel, Heinrich 
Bülow, unterzeichnet. Die belgische Propaganda bediente sich aber auch 
drastischer, auf die Psyche eines in seinen unteren Schichten naiven Volks 
berechneter Mittel. So wurden kleine Statuetten der Madonna verteilt, vor 
der ein Kind mit abgehackten Händen kniet. „Heilige Mutter Gottes, laß 
mir die Hände wieder wachsen, die mir die barbarischen und grausamen 
Deutschen abgeschnitten haben.“ Natürlich hat nie ein deutscher Soldat 
ein belgisches oder französisches Kind verstümmelt. Ich glaube, daß nie 
ein Heer strammere Manneszucht hielt, nie ein Heer im innersten Kern 
humaner und edler war als unser Heer im Weltkriege. Ich hatte am 
23. November 1900 gegenüber Angriffen, die von deutschen Sozial- 
demokraten gegen das Verhalten der deutschen Soldaten in China im 
Reichstag erhoben wurden, zu Herrn Bebel gewandt erklärt: „Ich stelle 
fest, daß bei aller Energie der Kriegführung der deutsche Soldat sich auch 
an Manneszucht und an Menschlichkeit von keinem anderen Soldaten der 
Welt übertreffen läßt. Dafür bürgt der Charakter des deutschen Soldaten, 
dafür birgt der Genius des deutschen Volkes, das in seiner tausendjährigen 
Geschichte noch immer gewußt hat, Humanität mit Heroismus zu ver- 
binden*.‘“ Diese Worte gelten für das deutsche Heer in Belgien und in 
* Fürst Bülows Reden, Große Ausgabe I, 154; Kleine Ausgabe I, 174. 
Die Entente 
arbeitet
	        
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