Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

MARGHERITA 225 
Als Königin müsse sie noch ehrgeiziger für Italien sein als irgendeine andere 
Italienerin. Das brauchte der Königin übrigens kaum gesagt zu werden, die 
ohnehin eine leidenschaftliche italienische Patriotin war. Bei unserer 
Audienz führte sie die Unterhaltung mit dem Takt und der Liebens- 
würdigkeit, die ihr eigen war. Über den Krieg bemerkte sie, sie bedaure, daß 
Heiraten zwischen deutschen Prinzessinnen und Prinzen einerseits, 
russischen und englischen Fürstenkindern andererseits durch die jetzigen 
Ereignisse sehr erschwert würden. Ich erwiderte, daß die Politik großer 
Länder nicht, wie dies früher bisweilen der Fall gewesen sei, durch fürst- 
liche Heiraten bestimmt werden könne. Die Königin erinnerte mich daran, 
und sie hatte recht, daß fürstliche Heiraten zwischen Deutschland und 
Rußland, Deutschland und England dem Weltfrieden und auch den deut- 
schen Interessen überwiegend förderlich gewesen scien. Als eine zweite 
unerfreuliche Folge des Krieges bezeichnete die hohe Frau die Gefahr, daß 
durch den Weltkrieg vielleicht überall, sicherlich aber in Deutschland, 
Rußland und Österreich die demokratischen Ideen sehr gefördert werden 
würden. Sie sei, wie ich wisse, in keiner Weise „una codina“, eine 
Reaktionärin, aber ein weiteres Anschwellen der demokratischen und 
namentlich der sozialistischen Flut habe doch seine Bedenken. 
Bevor die Königin Margherita die Audienz aufhob, nahm die Königin 
meine Frau zur Seite, mit der sie seit ihrer beider Jugend eng befreundet 
war. Sie sagte zu ihr: „Sage mir die Wahrheit, Maria, ihr habt den Krieg 
gewollt!“ Meine Frau erwiderte, sie könne bei allem, was ihr heilig wäre, 
bei der heiligen Mutter Gottes schwören, daß weder der Kaiser noch das 
deutsche Volk den Krieg gewollt hätten. „„Dann“, erwiderte die Königin, 
„sind die deutschen Diplomaten und Minister, die im Sommer 1914 im 
Amte waren, die größten Esel, die je die Welt gesehen hat.‘ Vorgreifend 
will ich schon jetzt erzählen, daß ich diese Äußerungen der Königin 
Margherita fast zwei Jahre später bei der einzigen Gelegenheit, die mir von 
Kaiser Wilhelm seit meiner Abreise nach Rom geboten wurde, ihn zu sehen, 
Seiner Majestät erzählte. Es war im Herbst 1916. Ich war, mir unerwartet, 
ohne besonderen Anlaß zum Kaiser in das Neue Palais befohlen worden. 
Er frug mich nach der Königin Margherita, für die er früher heftig ge- 
schwärmt hatte. „Was sagt sie zum Krieg?“ Die Bemerkung der Königin 
über die Vorteile, die fürstliche Heiraten auch in politischer Beziehung 
haben könnten, erregte nicht den Widerspruch Seiner Majestät. Um so 
weniger war er mit der Ansicht der Königin einverstanden, daß der Welt- 
krieg der Demokratie zugute kommen werde. „Das gerade Gegenteil ist der 
Fall‘, rief der Kaiser, nicht ohne Gereiztheit mich unterbrechend, „ich 
höre von allen Seiten, daß die Berliner finden, sie wären nie besser regiert 
worden als von Isaak. Wenn man das Volk gewähren ließe, so würde es die 
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