Giolini
Papst
Benedikt XV.
228 „EINIGES“
aller Gegenströmungen, Hindernisse und Rückschläge sitzt das Haus
Savoyen noch immer auf dem Thron, während die Bourbonen und Habs-
burger, die sich der italienischen Nationalidee widersetzten, aus Neapel
und Florenz, aus Parma und Modena verjagt wurden. So Graf Morra.
Es gab übrigens bis zu dem Augenblick der Kriegserklärung, wie ich
ausdrücklich hervorheben möchte, nicht nur in der römischen Gesellschaft,
sondern auch im ganzen Lande viele gute Patrioten, die für die Aufrecht-
erhaltung der Neutralität plädierten. Die kriegerisch gesinnten Elemente
machten den größeren Lärm, aber die Anhänger der Neutralitätspolitik
waren im Grunde in der Majorität. Noch Mitte Mai 1915 erzählte mir ein
befreundeter Abgeordneter, der Minister des Innern habe ihm gesagt, daß
bei einer Volksabstimmung die Mehrheit gegen den Krieg votieren würde.
Der mächtigste Politiker in Italien war seit Jahren Giovanni Giolitti.
Er hatte, wie alle unsere Freunde im Ausland, unsere Ultimatumspolitik
überaus ungeschickt gefunden. Auch Giolitti wünschte und forderte nach
dem Ausbruch des Weltkrieges den Trentino und Garantien für eine bessere
Behandlung der Italiener in Österreich. Er hatte in einem an seinen Freund,
den Abgeordneten Peano, gerichteten Brief für die italienischen For-
derungen die berühmt gewordene Formel vom „Parecchio‘ (Einiges) ge-
prägt. Aber er glaubte, daß sich diese Forderungen auch ohne voraus-
sichtlich schwere Opfer an Blut und Gut und ein immerhin gewaltiges
Risiko verwirklichen lassen würden. Auch er war von Anfang an der
Ansicht, daß der Krieg nur zu vermeiden sei, wenn Österreich die nötigen
Konzessionen ohne Hintergedanken, in guter Form und rasch mache. Je
länger Österreich zögerte, je schwankender, schwächlicher und undurch-
sichtiger unsere Politik war, um so näher rückte die Gefahr des Krieges.
Mit Weisheit und Güte, mit Klugheit und Festigkeit wirkte Papst
Benedikt XV., ohne die Grenzen seines geistlichen Amtes irgendwie zu
überschreiten, für den Frieden, als ein wahrer Vertreter des ewigen
Friedensfürsten. Ich werde es mir immer zur Ehre anrechnen, daß
Benedikt XV. meine Friedensbemühungen warm unterstützte. Er wünschte
die Erhaltung des habsburgischen Reiches, der letzten katholischen
Großmacht. Er sah aber vollkommen ein, daß sich der Krieg nur vermeiden
ließe, wenn Österreich nicht länger zögere, mindestens den Trentino zu
opfern. Der Papst, der Italien liebte, wünschte die Erfüllung deritalienischen
nationalen Aspirationen bis zu der Grenze, die mit dem Fortbestand des
habsburgischen Reiches verträglich war. Er betrachtete es vor allem als
seine Pflicht, dem entsetzlichen Blutvergießen des Weltkrieges möglichst
bald ein Ende zu setzen und jedenfalls zu verhindern, daß der Weltbrand
noch weiter um sich griff. Er beauftragte den Erzbischof von Wien, den
Kardinal Piffl, in diesem Sinne mit dem alten Kaiser Franz Josef zu