KEIN INTERESSE AN KRIEG 13
Loebell sagte mir 1915 oder 1916, die Erinnerung daran, daß ihr Gatte beide,
Bethmann Hollweg wie Valentini, mir gegenüber immer in Schutz ge-
nommen und herausgestrichen habe, hätte ihm später oft schlaflose Nächte
bereitet. Vorgreifend will ich schon hier erwähnen, daß Loebell und
Bethmann schließlich ganz auseinandergekommen sind. Bei der Juli-
Krisis von 1917 empfahl Loebell, damals preußischer Minister des Innern,
dem Kaiser einen Kanzlerwechsel, da sich Bethmann in der äußeren wie in
der inneren Politik als unzulänglich erwiesen habe und jedenfalls völlig
verbraucht sei. Dieser Wechsel müsse vor Ankündigung der preußischen
Wahlreform erfolgen, denn man dürfe nicht neuen Wein in alte Schläuche
gießen. In seinen ledernen Denkwürdigkeiten spricht sich Bethmann
Hollweg denn auch gereizt und unfreundlich über Loebell aus.
Der Geist einer gewissen Pikiertheit, der Bethmann überhaupt eigen
war, trat schon bei den letzten Unterredungen zutage, die ich mit meinem
Nachfolger hatte, bevor ich am 17. Juli 1909 Berlin verließ. Ich folge auch
hier einer Aufzeichnung, die ich unmittelbar nach unseren Gesprächen zu
Papier brachte. In unserer ersten Unterredung setzte ich Bethmann aus-
einander, daß unsere Weltstellung äußerlich glänzend und auch tat-
sächlich in jeder Beziehung günstiger sei, als sie dies zu irgendeiner
Zeit seit dem Rücktritt des Fürsten Bismarck gewesen sei. Aber Vorsicht
und Umsicht seien nach wie vor im höchsten Grade geboten. Unsere
geographische Lage sei nun einmal gefährlich. Auch bewege sich der
Diplomat überhaupt auf einem Terrain, das reich an Löchern, an Fall-
stricken, selbst an Minen sei. Ich sei fest davon überzeugt, daß der Krieg
vermieden werden könne, wie wir ihn während meiner zwölfjährigen
Amtszeit und vor mir während fast drei Jahrzehnten, trotz gelegentlicher
Krisen und einiger zum Teil recht schwieriger Zwischenfälle, in vollen
Ehren vermieden hätten. Der Friede müsse und könne aufrechterhalten
werden. Wir hätten gar kein Interesse an Krieg, das allergrößte an der
Wahrung des Friedens, denn die Zeit laufe für uns. Wir müßten aber mit
Vorsicht, Einsicht und Geschick operieren. Worauf es ankomme, wäre,
de ne pas pröter le flanc.
Bethmann erwiderte, ich hätte doch meine schönsten Erfolge eher durch
Kühnheit, mit Tanger und Bosnien erzielt. Mit Tanger hätte ich eine
Hypothek auf Marokko gewonnen und vor allem Delcass& gestürzt, den
hinterlistigsten und gefährlichsten unserer Gegner. Mit meiner „tapferen“
Behandlung der bosnischen Krisis am Schluß meiner politischen Laufbahn
hätte ich „geradezu glänzend‘ abgeschnitten und abgeschlossen. Ich
entgegnete Bethmann Hollweg genau wie vor ihm Seiner Majestät: „Ne bis
in idem!“ Als Bethmann Hollweg schon mit leiser Empfindlichkeit er-
widerte, ihm könne doch auch einmal und auf demselben Terrain, auf dem
Gespräche mit
Beihmann
vor der Abreise