NUR EIN LOHNDIENER 239
gewonnen, aber psychologisch war sie von vornherein verloren. Gegenüber
der von der Wiener und Berliner Diplomatie geschaffenen Lage mußte auch
das diplomatische Genie eines Fürsten Bülow ergebnislos verpuflen.“
Bei meiner Rückkehr nach Deutschland wurde ich bei meiner Durch-
reise durch die Schweiz an der Grenze von den Schweizer Behörden mit
großer Courtoisie begrüßt. In Karlsruhe erwartete mich ein Vertreter der
Frau Großherzogin Luise, um mir ihre Grüße und ihren Dank für meine
patriotische Wirksamkeit zu überbringen. In Berlin hatte der Staats-
sekretär Jagow die Nachricht in Umlauf gesetzt, daß meine Ankunft noch
nicht so bald erfolgen würde, um auf diese Weise jede Begrüßung am An-
halter Bahnhof zu verhindern, die ich gar nicht wünschte. Am nächsten
Tage ließ das Auswärtige Amt in einigen ihm zugänglichen Blättern
höhnisch melden, daß sich zu meinem Empfang außer dem Besitzer des
Hotels Adlon nur ein Lohndiener eingefunden hätte. Eugen Zimmermann
hatte mir schon früher geschrieben: „Herr Staatssekretär von Jagow sagte
bei Erörterungen, die über Ihre mögliche Wiederkehr auf den Kanzler-
posten gepflogen wurden, das ginge nicht, weil Ihnen niemand glaube. Das
hateru. a. auch dem Grafen Schwerin-Löwitz gesagt. Diese Torheiten sind
um so überflüssiger, als Sie ja gar nicht den Wunsch haben, wiederzu-
kommen. Von dem, was Herr von Jagow über Sie erzählt hat, und zwar
nicht um Ihnen zu nützen, möchte ich nur das Amüsanteste herausgreifen:
Sie könnten am Tage höchstens eine halbe Stunde arbeiten, die übrige Zeit
müßten Sie schlafend auf der Chaiselongue verbringen.“ Es sei selbstver-
ständlich, fügte Eugen Zimmermann hinzu, daß er solchem Klatsch, wo er
ihm begegne, den Stempel der Lächerlichkeit aufdrücke. Es erscheine ihm
aber besser, ich wüßte solche Gemeinheiten, als daß ich ihnen wehrlos
gegenüberstünde. Die Klatschereien über meine Lebensweise und Gesund-
heit stammten von Flotow und wurden von Jagow in Berlin verbreitet. In
Wirklichkeit habe ich in meinem arbeitsreichen Leben nie mehr gearbeitet,
auch nie mehr Menschen empfangen, gesehen und gesprochen als in Rom
im Winter 1914/15. Zu den Gegenständen, die ich niemals besessen habe,
gehört außer dem Schlafrock die Chaiselongue. Wäre das Gegenteil der
Fall, so würde ich mich in keiner Weise schämen, dies einzugestehen. Kein
Geringerer als Fürst Bismarck pflegte als älterer Mann nach dem Essen auf
der Chaiselongue zu liegen und in dieser Lage behaglich seine Pfeife zu
rauchen. In jüngeren Jahren trug er am Vormittag im Hause gern einen
Schlafrock, sugar einen geblümten Schlafrock. Ich sehe ihn in diesem
Schlafrock noch vor mir. Er sah altväterisch und dabei doch ebenso ge-
waltig aus wie im Koller der Halberstädter Kürassiere. Der Botschafter
Schweinitz erzählte mir einmal, daß ihn Bismarck unmittelbar nach seiner
Ernennung zum Ministerpräsidenten und Minister des Äußern im Schlaf-
Rückkehr
nach Berlin