14 BETHMANN WILL SICH EINARBEITEN
ich mich so glücklich bewegt hätte, ein Erfolg blühen, entgegnete ich ihm:
„Non cuivis homini contingit adire Corinthum.‘““ Dies Zitat war sehr
unglücklich. Der würdige Direktor Schmidt des Gymnasiums Carolinum
in Neu-Strelitz hatte recht gehabt, fünfundvierzig Jahre früher den
damaligen Sekundaner Bernhard von Bülow vor zu vielem Zitieren zu
warnen und ibn namentlich zu schr sorgfältiger Auswahl und Prüfung
seiner Zitate zu mahnen. Diesen Vers aus den Episteln des Horaz hätte ich
lieber für mich behalten sollen. Als Alumnus, ja als Primus omnium der
gelehrten Schulpforta, verstand Bethmann nur zu wohl den Sinn des
Zitats. Sichtlich gereizt, erging er sich in einer längeren Auseinandersetzung
darüber, daß er wohl wisse, es fehle ihm die eigentlich diplomatische Vor-
schule. Er hoffe aber und er vertraue, daß er mit Fleiß und Geduld das
Versäumte bald nachholen würde. „Ich werde mich schon in die auswärtige
Politik einarbeiten !““ wiederholte er zweimal nicht ohne Pathos.
Ich hielt es für richtig, die Unterredung mit meinem Nachfolger nicht in
einen persönlichen Disput ausarten zu lassen, sondern sie auf dem Boden
eines akademischen Dialogs zu halten. Ich griff das Wort „einarbeiten“
auf. Ich legte dar, daß man sich in die auswärtige Politik nicht von heute
auf morgen einarbeiten könne. Der Verwaltungsbeamte, der von Trarbach
nach Aurich versetzt werde, könne sich der Hoffnung hingeben, daß er sich
in die Eigenheiten des ostfriesischen Torfbaus ebenso tüchtig einarbeiten
werde, wie ihm das mit den Bedürfnissen eines Weinbau treibenden
Moselbezirks gelungen wäre. Die auswärtige Politik sei aber nun einmal
keine Wissenschaft und noch weniger ein Zweig der Ethik. Sie sei eine
Kunst, und da komme es nicht auf die Moral, nicht auf den guten Willen
an, sondern lediglich auf das Können, das seinerseits durch Flair, Takt und
Intuition bedingt sei. Ich fügte hinzu, daß ich stets bereit sein würde,
meinem langjährigen Mitarbeiter mit gutem Rat gern, gewissenhaft und
loyal zur Seite zu stehen. Er könne sich, wie, wo und wann es ihm nützlich
erscheine, vertrauensvoll an mich wenden. An meinem Patriotismus werde
er nicht zweifeln, und schon weil ich aus ganzer Seele dem Lande Glück
und Ruhm, Wohlfahrt und Sicherheit wünsche, sei ich auch für ihn,
meinen Nachfolger, und seine Amtstätigkeit von herzlichen und auf-
richtigen Gesinnungen erfüllt. Bethmann Hollweg verneigte sich würdig,
aber steif. Ich sah in einen Abgrund von Empfindlichkeit und Selbst-
überschätzung.
Tatsächlich hat mich Bethmann nach meinem Rücktritt niemals und in
keiner Situation je um Rat gefragt. Tatsächlich hat er, insbesondere bevor
er im Sommer 1914 die mit dem Ultimatum an Serbien begonnene fürchter-
liche Aktion einleitete und während der hierdurch hervorgerufenen
lebensgefährlichen Krisis, mich nie weder direkt noch indirekt um meine