UNTER ABSOLUTER DISKRETION 241
Ich wäre sein „Wohltäter‘‘ gewesen, aber Flotow wäre sein „Herzens-
freund“. Mit diesem Bittgang hatte Jagow bei mir kein Glück. Ich habe
ihn auch weiter überall geschnitten, namentlich im Herrenhause, in das
ihn der Kaiser auf den Vorschlag von Betlımann berufen hatte, obwohl
er in dies Haus und zu dessen patriotischen und großen Traditionen
paßte wie Pilatus ins Credo.
Bald nach meiner Ankunft in Berlin wurde mir von einem Flügel-
adjutanten mit der Bitte um absolute Diskretion erzählt, daß der Kaiser
mich nach meiner Rückkehr aus Rom habe empfangen wollen, um mir für
meine Bemühungen zu danken. Bethmann und Jagow hätten Seiner Ma-
jestät aber gesagt, daß mein Empfang und nun gar eine Auszeichnung für
mich einen schlechten Eindruck in Wien hervorrufen würde. Es läßt sich
unschwer denken, mit welcher Genugtuung der von dem Hofmarschall
Reischach ständig auf dem laufenden gehaltene österreichische Botschafter
Gottfried Hohenlohe über diese meine Brüskierung nach Wien berichtete
und wie sehr die Schwächlichkeit Bethmanns die Dreistigkeit des Wiener
Kabinetts ermutigen mußte. In den nächsten Tagen beehrte die Kaiserin
meine Frau und mich mit einer Einladung zum Frühstück, bei dem außer
uns nur ihre Tochter, die Herzogin von Braunschweig, und deren Gemahl
zugegen waren. Die Kaiserin dankte mir in rührender Weise für meine
Tätigkeit in Rom. Sie verschwieg mir nicht, daß der Kanzler und der
Staatssekretär des Äußern ihren hohen Gemahl verhindert hätten, mich zu
empfangen.
Nicht lange nachher erhielt ich von Bethmann den nachstehenden Brief:
„Verehrter Fürst, in der Unterhaltung, die ich unlängst in meinem Hause
mit Ihnen führen durfte, habe ich einige Details für den Grad des Druckes
angeführt, den wir im Verlauf der italienischen Krisis auf das Wiener
Kabinett ausgeübt haben. Nach dem Mißerfolg, mit dem die Krisis geendet
hat, sucht die politische Diskussion begreiflicherweise nach dem Schuldigen
und ist, wie ich höre, geneigt, ihn weder in Wien noch in Rom, sondern in
Berlin zu finden. Ich fürchte, daß solche Betrachtungen dem Vaterlande
nicht zum Nutzen gereichen. Die fest begründete Stellung, die Eure Durch-
laucht in der Wertung der öffentlichen Meinung einnehmen, schützt, wie
die Haltung der gesamten Presse und der laute vom Reichstag meinen
Worten gespendete Beifall zeigt, vor jeglicher Anzweiflung Ihrer rastlosen
in Rom entfalteten Tätigkeit. Sie bedarf keines Schutzes. Dem Wiener
Kabinett sein voll gerütteltes Maß an Verantwortlichkeit in der Öffentlich-
keit zuzuschieben, verbietet mir und allen offiziellen Persönlichkeiten
während der Dauer des Krieges die einfachste politische Räson. Jetzt kann
ich nicht auf die schweren Fehler der österreichischen Politik gegenüber
Italien hinweisen lassen, die bis in die letzten Jahrzehnte zurückreichen,
i6 Bulow III
Bethmann
befürchtet
Kritik