Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

HINDENBURG ERKLÄRT 247 
wehrten in der Loretto-Schlacht unsere Truppen trotz ihrer weit ge- 
ringeren Zahl den mit den größten Mitteln unternommenen Durchbruchs- 
versuch des Marschalls Joffre mit Heldenmut ab. In der Champagne und 
im Artois blieben alle Vorstöße der Franzosen und Engländer erfolglos. 
Schwere Sorgen aber erweckte in mir die Haltung des Kanzlers Beihmann 
in derpolnischen Frage. Schon im August 1915 gab er ganz überflüssiger- 
weise in einer Reichstagsrede der Hoffnung Ausdruck, daß unsere Besetzung 
der polnischen Grenzen gegen Osten den Beginn einer Entwicklung dar- 
stellen würde, welche die alten Gegensätze zwischen Deutschen und Polen 
aus der Welt schaffen und das vom russischen Joch befreite polnische Reich 
einer glücklichen Zeit entgegenführen würde, in der es die Eigenart seines 
Nationallebens pflegen und entwickeln könne. Eine solche Entwicklung 
erschien Herrn von Betlimann als das vornehmste deutsche Kriegsziel. 
Diese von ihm eingeleitete „glückliche Entwicklung‘ hat dahin geführt, 
daß wir uns an unserer Ostgrenze künstlich einen Todfeind schufen und 
großzogen, der uns weite und reiche, seit über hundert Jahren in deutschem 
Besitz befindliche Gebietsteile raubte, der die Deutschen ausplündert, miß- 
handelt und, als Soldknecht Frankreichs, die Hand an unsere Gurgel hält. 
Ich hörte schon 1915, daß Bethmann seine unvernünftige und unheilvolle 
polenfreundliche Rede, trotz dem Abraten aller preußischen Minister und 
den Gegenvorstellungen der Konservativen, der Nationalliberalen und 
auch einsichtiger Freisinniger und Zentrumsleute, gehalten hatte. 
Ihrer üblen Gewohnheit entsprechend, haben sich Bethmann und Jagow, 
als sich nur zu bald die schlimmen Folgen der Errichtung eines sclb- 
ständigen polnischen Reiches herausstellten, bemüht, die Verantwortung 
für ihre kopflose Aktion auf andere, in diesem Falle auf den F'’eldmarschall 
Hindenburg und seinen Generalstabschef Ludendorff, abzuschieben. 
Als sich mein langjähriger Freund und Kollege, der Kultusminister Studt, 
bei dem Feldmarschall brieflich erkundigte, ob an dieser Entschuldigung 
etwas Wahres wäre, richtete Hindenburg am 24. September 1917 den nach- 
stehenden Brief an ihn, den ich im Original in der Hand gehabt habe und 
von dem ich mir mit Ermächtigung des Staatsministers Studt eine Ab- 
schrift nahm: 
„Wie ich höre, hat man in Berlin das Gerücht verbreitet, die Schaffung 
des Königreichs Polen sei auf meinen und Ludendorffs Wunsch hin erfolgt. 
Ich bitte, diese Unrichtigkeit gütigst bei jeder sich bietenden Gelegenheit 
zu widerlegen. Das Königreich Polen ist am 12.und 13. August 1916 
zwischen Bethmann und Burian beschlossen worden. Erst am 29. August 
wurde ich Chef des Generalstabes und erfuhr daher noch einige Zeit später 
die Schaffung dieser Mißgeburt, als Beseler zu einer Besprechung nach 
Pleß herüberkam. Er versprach uns damals bis zum Frühjahr 1917 an 
Das selbstän- 
dige Polen
	        
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