Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

IN POLNISCHEM FAHRWASSER ' 249 
Richtig ist, wie ich meinerseits hinzufügen will, daß der von uns ein- 
gesetzte Generalgouverneur in Warschau, der General von Beseler, sich 
von den Polen hat umgarnen und einfangen lassen. Er war polnischer 
Doppelzüngigkeit und List nicht gewachsen. Aber auch Beseler lenkte 
völlig erst in das polnische Fahrwasser ein, als er vom Reichskanzler 
Bethmann in jeder Weise in dieser Richtung bestärkt und ermutigt wurde. 
Beseler mußte seinen Irrtum erkennen und, wie ich hoffen will, bereuen, als, 
sobald sich das Schlachtenglück gegen uns wandte, die Polen, die ihn bis 
dahin umschmeichelt hatten, von heute auf morgen in das Lager der 
Entente übergingen, mit der sie schon seit langem hinter unserem Rücken 
Fühlung genommen hatten. Und wieder einmal behielt Fürst Bismarck 
recht, der vom ersten bis zum letzten Tage seiner politischen Laufbahn den 
Polen als den unverbesserlichen, geborenen und gefährlichsten Gegner des 
preußischen Staats und des Deutschtums bezeichnet hatte. 
Ich will übrigens einräumen, daß der arme Bethmann in seiner 
unsinnigen Polenpolitik von zweien seiner Vertrauten, dem Geheimrat 
Riezler (alias Ruedorffer) und dem Dr. Hans Delbrück bestärkt und 
immer weiter vorwärts getrieben wurde. Der Erstgenannte vertrat die 
Thesis, daß der schlechte Eindruck, den unser völkerrechtswidriger Ein- 
marsch in Belgien in der Welt hervorgerufen hatte, durch die Wieder- 
aufrichtung Polens „moralisch‘‘ gutgemacht werden könnte. Dr. Hans 
Delbrück habe ich schon mehrfach erwähnen müssen. Am besten hat ihn 
meines Erachtens die arme Kaiserin Friedrich charakterisiert. Sie kannte 
ihn wohl, denn er hatte mehrere Jahre als Erzieher ihres jung verstorbenen 
Sohnes, des Prinzen Waldemar, in ihrem Hause geweilt. Es war bei einem 
Mittagessen im Kronprinzenpalais, zu dem auch ich eingeladen war. Hans 
Delbrück, der sehr schlechte Manieren hatte, diskutierte mit krähender 
Stimme über den Tisch hinweg mit seinem Gegenüber. Dabei stemmte er 
beide Ellbogen auf den Tisch, in der einen Hand hielt er sein Messer, in der 
anderen seine Gabel. Der damalige englische Botschafter in Berlin, Lord 
Ampthill, ein kluger, fein gebildeter Mann mit den besten Formen, sah 
mißbilligend auf den schlecht erzogenen Hauslehrer. Begütigend sagte die 
Frau Kronprinzessin zu ihm mit leiser Stimme: „He is not a bad man, but 
he is awfully tactless.““ (Er ist kein böser Mensch, aber er ist schrecklich 
taktlos.) Gefährlicher als die gesellschaftliche Taktlosigkeit des Dr. Hans 
Delbrück war leider seine politische Direktionslosigkeit, sein Mangel 
an politischem Feingefühl, politischer Voraussicht und an gesundem 
Menschenverstand. 
Bescler
	        
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