Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

„FRIEDE!“" 15 
Meinung gebeten. Auch während des Weltkrieges hat er sich niemals nach 
meiner Beurteilung der Lage, höchstens argwöhnisch nach meinem 
Aufenthalt und meinem Umgang erkundigt, mich auch nie gefragt, wie ich 
über etwaige Friedensmöglichkeiten dächte. Er hat, als er den verhängnis- 
vollen Entschluß faßte, Polen wiederherzustellen, mich nicht um meine 
Ansicht gefragt, geschweige mir die Möglichkeit geboten, ihn unter Hinweis 
auf Friedrich den Großen und auf den Fürsten Bismarck vor diesem wahn- 
witzigen Projekt zu warnen. In jener letzten oder vielmehr vorletzten 
politischen Unterredung, die ich bei meinem Ausscheiden aus dem Amt mit 
Bethmann hatte, ließ ich mich durch seine Empfindlichkeit und Ver- 
stimmung nicht abhalten, ihm noch einmal, wie schon dem Kaiser, Vorsicht 
mit Rußland anzuempfehlen. Dort liege der Schlüssel der Weltlage. Solange 
wir mit Rußland Frieden hielten, würde weder Frankreich noch ins- 
besondere England uns angreifen. Das Verhältnis zu Rußland hinge außer 
von einer klaren und festen preußischen Ostmarkenpolitik von der Be- 
handlung der Dardanellen-Frage sowie von geschicktem Vermitteln 
zwischen den russischen und den österreichischen Interessen auf der 
Balkanhalbinsel ab. „Vergessen Sie nicht, daß die Dardanellen-Frage ein 
heißes Eisen ist. Und lernen Sie vom Fürsten Bismarck, der es uns gezeigt 
hat, wie wir es anfangen müssen, um einerseits Österreich weder überrennen 
zu lassen noch preiszugeben, um aber andererseits auch nicht durch 
Österreich in einen Krieg mit Rußland verstrickt zu werden, bei dem 
schwerlich etwas Gutes herauskommen dürfte.“ Dreizehn Jahre bevor der 
arme Walter Rathenau bei der Konferenz von Genua sein Pace! Pace! rief, 
trennte ich mich von meinem Nachfolger Betbmann mit dem Worte: 
„Pax!“ 
Dieser ersten Unterredung folgte ein zweites langes Gespräch, das sich 
namentlich um die deutsch-englischen Beziehungen drehte. In Erinnerung 
an die Empfindlichkeit, die Beihmann bei unserer vorhergegangenen 
Besprechung hatte durchblicken lassen, eröffnete ich unsere zweite Unter- 
redung mit einer direkten Apostrophe an meinen Nachfolger. Ich sagte ihm 
im freundlichsten Tone und indem ich alles Belehrende vermied: „Lieber 
Bethmann, Sie haben nicht wie ich den größten Teil Ihres Lebens im 
Auslande zugebracht. Sie sind nicht durch eigene Anschauung mit fran- 
zösischen und russischen, englischen und österreichischen, italienischen und 
ungarischen, rumänischen und griechischen Verhältnissen vertraut. Dafür 
wissen Sie in unserer Verwaltung besser Bescheid als ich. Sie sind ein 
vortrefllicher Jurist, was ich trotz hoffnungsvoller Anfänge schließlich 
leider doch nicht geworden bin. Sie kennen aber nicht wie ich, der ich in 
einem Diplomatenhause aufgewachsen bin und so viel herumgeworfen 
wurde, persönlich fast alle, ich kann sagen alle europäischen Souveräne, die 
Die deutsch- 
englischen 
Beziehungen
	        
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