Fürst
Lichnowsky
256 EINE AUSSCHLIESSUNG
während seines Kampfes auf Leben und Tod feige und verräterisch in
den Rücken fielen. Unter diesen stand in erster Linie Grelling mit
seinem von der Entente in Hunderttausenden von Exemplaren im feind-
lichen und neutralen Ausland und tunlichst auch in Deutschland ver-
breiteten Buch ‚J’accuse“.
Es wäre sehr ungerecht, die Broschüre des Fürsten Lichnowsky
„Meine Londoner Mission“ in einen Topf mit derartigen Pamphleten
zu werfen. Er hat nicht gewollt, daß sie in die Öffentlichkeit ge-
langen solle. Er hätte aber eine solche Schrift niemals verfassen dürfen,
die, von ihrer Gesinnung ganz abgesehen, inhaltlich ohne Wert war.
Als das Herrenhaus über die Ausschließung des Fürsten Lichnowsky
debattierte, wurden ernste und gewichtige Vorwürfe gegen ihn erhoben.
Es wurde aber zu seiner Entschuldigung auch manches gesagt, was sich
hören ließ. Am durchschlagendsten wirkte in letzterer Richtung, daß der
inzwischen verstorbene Fürst Alexander Münster, der Sohn unseres viel-
jährigen Botschafters in London und Paris, statt jeder Apologie die
Eingangssätze der Lichnowskyschen Broschüre vorlas. Sie fing ungefähr so
an: Zu den Fehlern des Fürsten Bismarck in seiner auswärtigen Politik
gehöre auch der Berliner Kongreß, ohne den es keinen Weltkrieg gegeben
hätte. Den Baron Marschall nach London als Botschafter zu schicken, sei
kein glücklicher Einfall des Berliner Auswärtigen Amts gewesen, eine gute
. Idee dagegen der Gedanke des Kaisers, ihn, den Fürsten Lichnowsky, auf
Die Ansprüche
der Parteien
diesen wichtigsten Posten zu setzen. Als Fürst Alexander Münster mit dem
Vorlesen des Lichnowskyschen Buches so weit gekommen war, wurde er
durch allgemeines Gelächter unterbrochen, und als er mit den Worten
schloß, das Haus werde hoffentlich nicht so grausam sein, eine infamierende
Strafe über ein Herrenhausmitglied zu verhängen, dessen politische Harm-
losigkeit so klar auf der Hand liege, beschloß eine größere Anzahl würdiger
Männer, unter denen auch ich mich befand, eine weiße Kugel in die Ab-
stimmungsurne zu werfen. Die Mehrheit hat sich allerdings schließlich doch
für die Ausstoßung des armen Lichnowsky entschieden, dem infolgedessen
auch das Recht zum Tragen seiner preußischen Militäruniform entzogen
wurde.
Es war vorauszusehen, daß in Deutschland, einem Lande, das seit jeher
die Neigung hatte, den Teil über das Ganze, den Fraktionsstandpunkt über
das allgemeine Wohl zu stellen, der Krieg, und noch dazu ein so schwerer
und lange dauernder Krieg, die Ansprüche der Parteien steigern würde.
Dem war nur dadurch zu begegnen, daß alle mit der Salus publica verein-
barten Zugeständnisse sofort erfolgten, daß Angehörige aller Parteien, auch
Freisinnige und Klerikale, auch Sozialisten in leitende Stellungen berufen
wurden, daß aber von da ab mit fester Hand regiert wurde. Ich hätte es ganz