Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Dritter Band. Weltkrieg und Zusammenbruch. (3)

16 DAS ABKOMMEN MIT ENGLAND 
meisten Minister. Sie sind nicht wie ich mit Staatsmännern aller Länder 
persönlich befreundet. Ich will mich Ihnen nicht aufdrängen, ich sehne mich 
gar nicht nach politischer Betätigung. J’en ai pardessus la töte. Ich freue 
mich, daß ich endlich meine Ruhe habe. Ich möchte [ast über das Portal 
der Villa Malta die Worte schreiben, die einst ein berühmter englischer 
Staatsmann, Lord Brougham, den ich mir im übrigen nicht zum Vorbild 
nehmen möchte, nach seinem Rücktritt über die Eingangstür seiner Villa 
in Cannes setzte: 
Inveni portum, spes et fortuna valete! 
Sat me ludistis, ludite nunc alios. 
Aber Ihnen, ich wiederhole es noch einmal, stehe ich jederzeit und für 
jede Rückfrage zur Verfügung.“ Der herzliche Ton, in dem ich das sagte, 
schien auf Bethmann Eindruck zu machen, sein Gesicht nahm einen guten 
Ausdruck an. 
Unsere zweite Unterredung nahm cinen freundlichen Verlauf. Ich riet 
Bethmann, baldmöglichst zu dem von mir in Angriff genommenen Ab- 
komnien mit Englaud über das Tempo der Schiffsbauten zu gelangen. Er 
würde es in dieser Beziehung mit Seiner Majestät dem Kaiser weit leichter 
haben als ich. Er habe für den Kaiser noch den Reiz der Neuheit, während 
ich mich gegenüber dem hohen Herrn schon sehr verbraucht hätte. Er 
möge sich nicht der Illusion hingeben, als ob sich das deutsch-englische 
Verhältnis von heute auf morgen zu einem ganz intimen, rückhaltlos- 
vertaueusvollen gestalten lasse. Was wir aber erreichen könnten, wäre, daß 
die deutsch-englischen Beziehungen sich nicht verschlechterten, sondern 
korrekt und normal blieben. Mehr zu erwarten oder anzustreben, hieße 
die traditionelle englische Politik vergessen. Seit Jahrhunderten habe 
England jeder politisch oder wirtschaftlich aufsteigenden Macht miß- 
trauisch, unter Umständen feindlich gegenübergestanden. Das hätten 
nacheinander Spanien, Holland, Frankreich, Rußland erfahren. Unser 
beispielloser wirtschaftlicher Aufschwung, unsere große politische Macht- 
stellung, insbesondere unsere stürmischen Fortschritte in Handel und 
Schiffahrt stünden jetzt für England im Vordergrund seiner Betrachtung, 
seiner Beobachtung und seiner Sorge. Daraus folge noch nicht, daß ein 
Krieg mit England zu erwarten oder gar daß er unvermeidlich sei. Wir 
müßten aber dafür sorgen, daß sich die Beziehungen zu England nicht 
verschlechterten. Das sei mit Vorsicht und Takt zu erreichen. König Eduard 
sei nicht kriegerisch, wenn auch politisch sehr unbequem. Er würde uns 
nicht überfallen. Er würde auch nicht ewig leben. Bei meiner letzten Be- 
gegnung mit ihm seien mir der hippokratische Zug in seinem Gesicht, sein 
fetter Hals, sein schwerfälliger Gang aufgefallen. Sein präsumtiver Nach-
	        
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