XX. KAPITEL
Der U-Boot-Krieg - Unterredung desKronpri itführenden Mä les Reichst
Rücktritt Betlimanns » Frage der Rückberufung des Fürsten Bülow » Berlin- Wiener
Intrigen gegen Bülow » Diplomatische Friedensmöglichkeiten » Unterstaatssekretär
Michaelis Reichskanzler « Denkschrift des Grafen Czernin « Friedensresolution des
Reichstngs - Erzberger » Erste Zersetzungssymptome bei der Flotte in Kiel » Stauts-
sckretär Zimmermann » Ersetzung von Michaelis durch Ilertling +» Staatssekretär
Kühlınann - Der Friede von Brest-Litowsk » Stimmung in Berlin - Adolf von Hurnack
H: von Bethmann hoffte, sich durch immer weiter gehende Kon-
zessionen nach links über Wasser zu halten. Dem Kaiser hatte er durch
den eng mit ihm befreundeten Kabinettsrat Valentini einreden lassen, er, der
Kanzler Betlumann, sei der beste, ja der einzige Deich, der Seine Majestät
vor der revolutionären Flut schütze. Am verhängnisvollsten waren die
Bethmannscben Schwankungen in der Frage des U-Boot-Krieges. Grade
hier galt für seine Haltung das oft von mir zitierte Sendschreiben, das in
der Apokalypse an den Engel der Gemeinde zu Laodicea ergeht: „Ach, daß
du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm,
werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.“
Die schweren Bedenken, die gegen den U-Boot-Krieg sprachen, lagen
auf der Hand. Wenn man sich trotzdem dazu entschluß, mußte wenigstens
die Führung des Krieges in die Hand des Schöpfers der Flotte, des Groß-
admirals Tirpitz, gelegt werden, unserer ersten Autorität auf marine-
technischem Gebiet. Statt dessen führte Betlmann mit Hilfe der ver-
schwägerten Admiräle Müller und Holtzendorff beim Kaiser einen unter-
irdischen Feldzug gegen Tirpitz, der zu dessen mitten im Kriege in
ungnädiger Form telegraphisch durch den Kaiser erfolgter Verabschiedung
führte. Als der richtige Augenblick für den Beginn des U-Boot-Krieges
verpaßt worden war, erfolgte der gefährliche Schritt nicht nur zu spät,
sondern auch in möglichst ungeschickter Art. Als im Schloß Pleß in Ab-
wesenheit des Kanzlers der unbeschränkte U-Boot-Krieg beschlossen wurde,
wollte Bethmann, der von diesem Schritt erst post festum erfuhr, seinen
Abschied einreichen, ließ sich aber vom Kaiser leicht und gern bewegen,
sein Entlassungsgesuch wieder zurückzunehmen.
Als die Frage, ob wir uns zum verschärften U-Boot-Krieg entschließen
Der un-
beschränkte
U-Boot-Krieg