Der Papst als
Vermittler
266 EINE BASIS, DIE DENKBAR WAR
aber mußten wir durch einen geeigneten Vermittler der Entente
unsere Bereitwilligkeit zu erkennen geben, zu einem Ausgleichs- und Ver-
ständigungsfrielen zu gelangen.
Der beste Friedensvermittler wäre an und für sich der Papst BenediktXV.
gewesen, dessen freundliche Gesinnung für das Deutsche Reich und dessen
österreichisch-ungarischen Bundesgenossen ebenso unzweifelhaft war wie
seine aufrichtige Friedensliebe und seine erleuchtete Weisheit. Nachdem
jedoch die italienische Regierung im Patto di Londra, durch den sie ihren
Anschluß an die Entente vollzog, die Zusicherung erhalten hatte, daß der
Papst keinesfalls zu den Friedensverhandlungen zugezogen werden würde,
mußte hiervon abgesehen werden. Es blieb uns aber noch die Wahl zwischen
der Königin von Holland, dem Präsidenten der Schweizer Eidgenossen-
schaft und den Königen vun Spanien, von Schweden und von Dänemark.
Jedenfalls mußte ein ernsthafter Friedensschritt auf ordnungsgemäßem
diplomatischem Wege erfolgen, denn, das will ich hier einfügen, an Ver-
suchen mit Friedensfühlern hat es Bethmann nicht fehlen lassen. Leider
waren es durchweg Versuche mit untauglichen Mitteln, d. h. mit politisch
und diplomatisch unerfahrenen Mittelsmännern, die durch plumpes Auf-
treten die Sache, die sie führen sollten, von vornherein kompromittierten.
Meine Bedingungen wären etwa folgende gewesen: Völlige Wieder-
herstellung der belgischen Unabhängigkeit, Integrität und Selbständigkeit,
erneute feierliche Bekräftigung der belgischen Neutralität mit großzügiger
Entscheidung für Belgien, Abtretung des Trentino an Italien und Autonomie
für Triest, Wiederherstellung und erneute Anerkennung der Unabhängig-
keit und Neutralität des Großherzogtums Luxemburg. Im Notfall Ab-
tretung von Französisch-Lothringen nach erfolgter Schleifung der Festung
Metz. Im äußersten Notfall Konstituierung von Elsaß-Lothringen als selb-
ständiger, völkerrechtlich anerkannter, entmilitarisierter Pufferstaat. Nach
zahlreichen Unterredungen, die ich inzwischen mit Neutralen, aber auch
mit Politikern der feindlichen Länder gehabt habe, glaube ich, daß auf
dieser Basis ein Friede möglich war. Noch sicherer ist mir freilich, daß,
wenn ich einen solchen Frieden erreicht hätte, man in Deutschland mit
faulen Äpfeln nach mir geworfen hätte. In Hunderten von Leitartikeln
wäre ausgeführt worden, daß ich mit der schlappen Feder verdorben hätte,
was durch das forsche Schwert ruhmvoll errungen war. Die Leitartikel hätte
ich leicht verschmerzt und die faulen Äpfel freudig ertragen, wenn nur das
Vaterland vor völliger und endgültiger Niederlage, vor Zusammenbruch
und Umsturz bewahrt worden wäre.
Bevor ich in diesen meinen Erinnerungen von Herrn von Bethmann Ab-
schied nehme, möchte ich die letzte politische Äußerung wiedergeben, die
ich von ihm hörte. Nicht lange vor seinem Rücktritt kehrte ich von einem